Ein Ausflug in die Hölle

Dunkle Sensationslust lockt viele Menschen an die Schauplätze von Verbrechen. Das Phänomen wird mittlerweile auch touristisch aufbereitet.
© ARD Michael Böhme

Auch Schauplätze des TV-Tatorts Münster können besucht werden

Was heute in einem Höllentempo über die sozialen Medien verbreitet wird, übernahmen vor Erfindung des Buchdrucks die Bänkelsänger. Sie überbrachten ihre Nachrichten in Liedform auf Jahrmärkten oder Kirchfesten. Was beide Kommunikationskanäle trotz der großen zeitlichen Distanz verbindet, ist die inhaltliche Qualität der News. Sowohl für die damaligen Moritaten als auch für die aktuellen Tweets gilt: „Crime sells“. Je grausamer, blutrünstiger und furchterregender eine Geschichte ist, umso größer ist das Interesse des Publikums. Den meisten reicht der schaurige Grusel, den „wahre Geschichten“ in der Berichterstattung auslösen. Manche Menschen brauchen aber einen stärkeren Nervenkitzel. Sie wollen die Schauplätze von Verbrechen in der Realität sehen. 

Wenn eine Schandtat bekannt wird, löst das regelmäßig Wellen von Tatort-Tourismus aus. In den USA zahlen Ausflügler beispielsweise Eintritt dafür, jenes Haus in Holocomb in Kansas zu besuchen, in dem Ende 1950 die vierköpfige Farmerfamilie Clutter umgebracht worden war. Berühmt wurde dieser Tatort durch Truman Capotes Tatsachenroman „Kaltblütig“, der 1966 erschien. 

„Dark tourism“

1997 wurde der Modedesigner Gianni Versace in seiner Villa am Ocean Drive in Miami erschossen. Auch dieses Anwesen lockt seitdem Schaulustige an. Allerdings verläuft das in geordneten Bahnen. In der aus mehreren Häusern bestehenden Anlage ist heute ein Hotel untergebracht. Gäste des „The Setai Miami Beach“ erhalten gegen Bezahlung speziellen Insider-Zutritt zur Villa des ermordeten Modezaren. Die Tour führt durch das von Versace 1992 erworbene Haus, das immer noch die unverwechselbare Handschrift des Mode-Meisters trägt. Zu sehen ist unter anderem der berühmte 18 Meter lange „Million Mosaic Pool“, der aus über einer Million Mosaikkacheln besteht, von denen Tausende aus 24-karätigem Gold hergestellt wurden. Der Höhepunkt der Tour ist ein Dinner mit angemessen italienisch-mediterraner Atmosphäre im Hotel-Restaurant „Gianni‘s at the Villa“. Die Speisekarte, deren Gerichte und Weine vom Koch der Villa Casa Casuarina, Thomas Stewart, ausgewählt werden, soll Besucher in eine Zeit zurückversetzen, als Gäste im Privatbereich der Villa des Designers mit opulentem Glamour bewirtet wurden. Das Hotel „The Setai“ erwähnt den Mord an Versace auf seiner Homepage  – wohl aus Gründen der Diskretion – nicht. Dort wird lediglich vom „verstorbenen“ Modedesigner gesprochen. 

Auch hierzulande taucht das Phänomen „dark tourism“ immer dann auf, wenn ein Aufsehen erregendes Verbrechen bekannt wird. Vor allem dann, wenn Medien Wegbeschreibungen dazu liefern. So waren etwa das Haus von Wolfgang Priklopil in Strasshof, in dem Natascha Kampusch jahrelang eingesperrt war, oder das Haus des Bombenlegers Franz Fuchs im steirischen Gralla jahrelang beliebte Fotomotive für Tatort-Touristen. 

Ermittler in einem Mordfall

Weiter zurück in die Geschichte zieht es viele Urlauber in der Schweiz. Dort hat die Ferienregion Uri das Geländespiel „Tatort Tell“ entwickelt. Es führt in der sagenhaften Urner Berg- und Seenlandschaft auf Spurensuche und bringt den Nationalhelden Besuchern mit moderner Inszenierungstechnik spielerisch näher. Die Teilnehmer des Spiels ermitteln dabei in einem Mordfall: In der Hohlen Gasse bei Küssnacht wurde ein Mann erschossen. Der Pfeil einer Armbrust traf ihn mitten ins Herz. Die Freizeit-Kommissare ermitteln mit Spielplan oder Tatort-Karten und begeben sich in der Ferienregion Uri auf die Fährte des treffsicheren Schützen Wilhelm Tell. Über 15 Stationen hinweg erschließt sich den Ermittlern die Akte Tell Schritt für Schritt. Die Kombination aus Rätsellösen und dem Besuch der Original-Tellstätten inmitten der atemberaubenden Berglandschaft am Urnersee macht „Tatort Tell“ zu einem gelungenen Abenteuer für Familien, Freunde, Firmen und Vereine

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