Im falschen Job

Das alte Lied: Wer keine Menschen liebt, sollte nicht im Service arbeiten.
©privat

Jeder von uns hat das in seinem Leben schon erlebt. Wohl Dutzende Male. Und wer – so wie ich – nach dem Motto lebt „Ich bin schon zu alt, um in schlechte Restaurants zu gehen“, der leidet doppelt.

Diese Geschichte ist nur eine kleine Geschichte. Und die Tatsache, dass dies hier (mit Namensnennung) verbreitet wird, wird die handelnden Personen wahrscheinlich nur wenig kratzen. Aber es ist wert, sie deshalb zu erzählen, damit wir alle in solchen Momenten mutig (!) reagieren. Und um Sie, geschätzte Leser*innen, zu sensibilisieren.

Seit einigen Jahren zieht es die beste Ehefrau von allen, Ekaterina, und mich nach Kroatien. Und dort in das wunderbare Küstenstädtchen Abbazia (Opatija). Ein Reiz, dem auch schon die österreichische Hocharistokratie seinerzeit erlag. Und was für einen Erzherzog gut genug ist, darf ja auch den Muchas Spaß machen…

Gleich neben Abbazia liegt der kleine Küstenort Volosko. Von unserem wunderbaren Hotel Miramar – im Besitz von Dr. Wilfried Holleis, einem etablierten, gstandenen Hotelprofi, der auf eine Stammklientel zählen kann, die ihn auch in Corona-zeiten nicht im Stich gelassen hat – bis nach Volosko sind es nur knapp zehn Minuten zu Fuß. Eine wunderbare Wanderung entlang der Küste. In Volosko selbst finden sich etliche Restaurants. Touristisch ausgerichtet. Also kehrten wir nach kritischer Prüfung durch Ekaterina im Lokal Butiga ein. (Ihr Trick ist, dass sie jene Restaurants wählt, die gut besucht sind. Das logische Argument dazu: Wenn einer voll ist, dann hat er auch was zu bieten – sieht man einmal von der Pizzeria in der Hochsaison in Rimini ab.) Aber das war das Osterwochenende, und nur wenige Betriebe machten sich auf, dem Winterschlaf zu entrinnen.

Im Butiga aßen wir ein vortreffliches Rinds-Carpaccio. Und Miesmuscheln. Also beschlossen wir, am nächsten Tag wiederzukommen. Reservierung? Dann nicht nötig, wenn man schon um 12 Uhr ins Lokal kommt und die meisten Gäste ungefähr um 13:30 Uhr reserviert haben. Ein schnelles „Carpaccio for the road“, bevor es nach Österreich zurückgehen sollte, wäre wohl in 25 Minuten erledigt. Im Lokal erwartete uns eine hantige Tante. Sie hätte nur mehr den schlechtesten Tisch neben der Küche frei. 12:15 Uhr. Das Lokal ist komplett leer. Kein Mensch da. Höflich und mit einem freundlichen Lächeln erkläre ich ihr, dass wir nicht länger als 30 Minuten brauchen würden. Und da auf all den Tischen diese Zetteln mit „Reserviert: 13:30 Uhr“ oder „14 Uhr“ stehen, würde sich das wohl ausgehen. Ob wir nicht dort für diese paar Minuten Platz nehmen könnten? Doch wir hatten unsere Rechnung im wahrsten Sinne des Wortes ohne die Wirtin gemacht. Was weiß ich, welche Läuse der Frau, die auf den klingenden Namen Lily hören soll, wie man mir dann andernorts mitteilte (ihre Wutanfälle dürften stadtbekannt sein), über die Leber gelaufen sind, denn sie fuhr uns darauf mit dem Stellwagen ins Gesicht. Ich hätte von Gastronomie keine Ahnung, die Tische seien reserviert, das gesamte Lokal sei ausgebucht und wir sollten uns jetzt gefälligst schleichen. Sofort. Raus aus dem Lokal. Als sie begann, meiner Frau, der das gar nicht gefiel, mit dem Ellbogen näher zu rücken, suchten wir fluchtartig das Weite.

Nur gut, dass zwei Minuten weiter die wunderbare Ostaria Veranda zum Verweilen einlud. Dasselbe Spiel. Aber eine ganz andere Antwort. Der beste Tisch mit Blick auf’s Meer war flugs für uns hergerichtet. Die Speisen kamen doppelt so schnell wie normal. Und waren von vorzüglicher Qualität.

Wir alle erleben derartige Unbill immer wieder. Und man fragt sich, was die Lilys dieser Welt bewegt, wenn sie Menschen hassen, wenn sie aggressiv sind, wenn sie bösartig sind, wenn sie anlassig sind, wenn sie überheblich sind, wenn sie ihre miesen Spielchen mit den Gästen spielen, die wir doch alle zur Genüge kennen. (Der erste Gast, der kommt, bekommt den schlechtesten Tisch, der zweite bekommt den zweitschlechtesten – alte gastronomische Regel: Den guten Tisch behältst du dir für den Letzten auf, oder schätz ihn ein, ob er sich wehren wird – je sympathischer er ist, desto weniger wird er Wind machen, wenn du ihn neben der stinkenden Küche platzierst…) Alle diese Tricks sind erbärmlich. Alle diese Typen gehen mir unheimlich auf den Sack. Ich habe Lily beim Weggehen noch das gesagt, was eine wie sie definitiv hören sollte: Warum wechseln Sie nicht den Job? Sie sind im falschen Beruf. Sie mögen keine Menschen. Gastlichkeit ist für Sie ein Fremdwort. Das schreiben Sie mit „r“. Wir alle sollten eines tun: Wo uns solches widerfährt, es verbreiten, weitererzählen, über Mundpropaganda weitergeben, die sozialen Netzwerke nutzen. Denn wie sagte meine Großmutter, die alte Mucha, so klug: „Ein guter Ruf geht weit. Ein schlechter noch viel weiter.“

Herzlichst,

Ihr

Christian W. Mucha

Herausgeber

PS: Natürlich ist Lily nicht die Eigentümerin des Lokals. Der Eigentümer soll, wie man mir in der Eisdiele gegenüber mitteilte, durchaus nett sein. Aber meistens nicht im Lokal. Er heißt Nico Marianovich. Ich werde mir erlauben, ihm diesen Artikel – samt Übersetzung – zuzusenden. Vielleicht denkt er ja mal über seine Personalpolitik nach.

Der Obige

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