Offener Brief zur Lage der Reisebüros

Elisabeth Kneissl-Neumayr ist Geschäftsführerin von Kneissl Touristik, dem größten Veranstalter für Studien- und Studienerlebnisreisen in Österreich mit mehr als 50 festangestellten Mitarbeitern. In einem offenen Brief spricht sie die Probleme ihrer Branche an.

Elisabeth Kneissl-Neumayr

Wir alle zählen zu einer Branche, die aus 2.000 Reisebüros, 700 Veranstaltern und total etwa 10.000 MitarbeiterInnen besteht.

Ich bin keine offizielle Repräsentantin der Kammer oder eines anderen Gremiums oder Verbands, aber meine mehr als 40-jährige Tätigkeit als Veranstalterin, Ausbildnerin, Reiseleiterin und Referentin ermächtigt mich, zu reden und nicht zu schweigen: Meine, unsere Sorgen, Bitten und Wünsche müssen bei den österreichischen politischen Verantwortlichen und EU-Behörden/PolitikerInnen Gehör finden!

Wir Reiseveranstalter und Reisebüros fühlen uns im Stich gelassen! Es muss doch jemand aus der Politik im Blick haben, dass auch die Reisebranche schützenswert ist bzw. eine Perspektive benötigt. Man kann uns doch nicht einfach sterben lassen und 10.000 Arbeitsplätze aufs Spiel setzen!

+++ Ich bin empört darüber, dass in den letzten Pressekonferenzen der Ministerin für Tourismus sowie des Außenministers – wie etwa am 28.4. – „Tourismus“ allein österreichische Hotels und Gastronomie umfasst. Auch wir Veranstalter, die österreichische Kunden in die gesamte Welt brachten, haben bis dato viel für das touristische Renommee Österreichs beigetragen. Und genauso brav wie Hotels und Gastronomie zahlen wir unsere Steuern und gewährleisten Arbeitsplätze.

Ich wünsche mir, dass endlich jemand aus der Politik aufsteht und sagt, dass es auch hier eine schützenswerte Branche der Reisebüros und Reiseveranstalter gibt, die man nicht einfach sterben lassen kann. Die Situation hat sich bis heute nicht geändert – angeblich hat Herr Kurz einmal das Wort Reisebüros erwähnt, allein bis dato gibt es keine Maßnahmen irgendeiner Art.

Für die Österreich-Werbung wurden weitere 40 Mio. Euro Werbegeld bereit gestellt – Reisebüros kommen nur zum Zug, wenn sie eine Hotel-Plattform für Österreich auf ihrer Website installiert haben. Das wird für eine gemeinsame Werbung mit Ö3 genutzt. Wir habe n zwar auch Studienreisen in Österreich aufgelegt, aber das ist ein gänzlich anderes Format und spricht eine andere Zielgruppe an. 

+++ In mehreren Anfragen an die Landesregierungen und direkt im Tourismusministerium habe ich um einen Fahrplan für mehr Reisefreiheit ersucht. Der Fahrplan, so die Antwort des Tourismusministeriums, laute: Öffnung der Hotels für private Buchungen ab 29.5. sowie Bestrebungen, die Grenzen für deutsche Urlauber in Österreich zu öffnen. Auf meine Rückfrage, dass dies für Reisebüros und Reiseveranstalter kein Fahrplan sei, kam die Antwort: Es gibt keinen anderen Fahrplan … Die Situation hat sich nicht geändert – am 9.6.2020 gab es für alle Bundesländer und alle Reisebüros einen virtuellen runden Tisch mit Frau Köstinger zum Thema Reisebranche (1,5 Std. hat sie Zeit) – man durfte vorab schriftliche Fragen stellen und via Zoom zuhören.

+++ Ich wünsche mir, dass man uns als Branche auch hört, wenn es um Gutscheine der Airlines geht. Bis letzte Woche heißt es seitens der EU, dass Airlines die Kunden (vor allem auch uns als Veranstalter und Reisebüros) nicht mit Gutscheinen „abspeisen“ dürfen – es müssen bezahlte Tickets zurückgezahlt werden. Jetzt hat scheinbar die Lobby der Airlines erreicht, dass diese Weisung der EU wieder diskutiert wird. So wie ich unglückliche Besitzerin von italienischen und französischen Reisegutscheinen bin, bin ich Besitzerin von Gutscheinen der TAP, SAA, Air Canada und vieler anderer Airlines, die sich eigentlich an die EU-Fluggastrechte halten müssten. Und natürlich mussten wir im Rahmen des PRG den Kunden das Geld zurückzahlen. Wie soll sich das ausgehen? Die Situation hat sich nicht geändert – nichts, was über BSP-Link eingereicht wurde, wurde seit Mitte März zurückbezahlt. Zudem befinden sich Airlines wie LATAM, SAA, Avianca etc. im Gläubigerschutz, damit sind hier die Chancen noch viel geringer, jemals das Geld wieder zu sehen.

+++ Ich wünsche mir, dass man bei unserem Außenministerium bei Ländern mit jetziger Reisewarnung erkennt, dass diese immer Status-quo-Zustände abbilden, die permanent evaluiert werden müssen. Gleichzeitig wäre es sehr sinnvoll, diese Informationsseiten wieder wie früher mit Inhalten zu füllen – momentan gibt es keine Informationen, nur Hinweise auf „Reisewarnung“. Bei unseren Bemühungen, Geld von Leistungsträgern im Ausland zurück zu bekommen, benötigen wir aber solche Informationen. Die Botschaften sind ja vor Ort und liefern diese Informationen. 

Mein offener Brief erschien auch in der Wiener Zeitung, was am gleichen Tag zu einem gemeinsamen Anruf von den Gesandten Launsky-Tieffenthal und Rendi führte – 45 Minuten Zeit für Diskussionen, zweimal noch Infos zu Norwegen. Seitdem wurde jegliches Mail von mir ignoriert.

+++ Wir brauchen dringend einen „Fahrplan“ – ähnlich wie bei den Geschäften, Dienstleistungssektoren, Schulen etc. (wünschenswerterweise in Abstimmung mit der EU und EWR) – über den Stand der Reisefreiheit, die es wieder möglich macht, zunächst sichere Ziele in Europa zu bereisen und ab Herbst auch weiter entfernte sichere Destinationen zu erreichen (da spricht man ja bereits über Israel…). Viele Staaten haben es wie Österreich richtig gemacht, die Pandemie einzubremsen.

+++ Oder wir benötigen die klare Ansage, dass Reisen in andere Länder für alle Veranstalter/Menschen erst ab Herbst behördlich erlaubt sind. Wir wissen von bilateralen Gesprächen einiger Staaten, wir kennen aber keine Zwischenergebnisse, haben nichts, an das wir uns halten könnten. Bis auf Reisefreiheit in den angrenzenden Nachbarländern keine Neuerungen – wir warten weiterhin auf diverse Öffnungen.

+++ Wir konnten ab 2.5. wieder unsere Reisebüros öffnen. Womit ich wieder auf den Fahrplan oben verweisen muss – was sollen wir anbieten? Österreich auf privater Ebene, weil Hotelbuchungen ab 29.5. nur für private Personen gestattet sind? Und Gruppen von 20-25 Personen auch im Sommer noch unerwünscht sind? Seit 2.6. sind unsere Reisebüros wieder geöffnet – so wie fast alle Reisebüros in der Branche von 10 bis 13 Uhr, weil wir weiter in Kurzarbeit sind.

+++ Wenn man jetzt auch noch den finanziellen Aspekt betrachtet – betreffend überall medial kommunizierter Meldungen zu „Schneller Hilfe“, „Sofort-Förderung“, „Unbürokratische Überbrückungsfinanzierung“ etc., stellt man schnell fest, dass die Realität diametral anders aussieht.

Von wegen „sofort-schnell-unbürokratisch“ – als verbundenes (Tochter-) Unternehmen (50 Mitarbeiter) einer privat geführten Touristik-Firmengruppe mit mehr als 350 Mitarbeitern (= Arbeitsplätzen) zählt man nicht mehr als KMU (Kleine und mittlere Unternehmen) und fällt somit aus den Fördertöpfen der ÖHT (Österreichische Hotel- und Tourismusbank) sowie AWS (Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft). Zuständig ist hierbei die OeKB (Österreichische Kontrollbank), deren Formalismus und Auflagen sogar die eigene Hausbank zum Verzweifeln bringt. Um es salopp zu formulieren: „Man muss zuerst ALLE Ersparnisse aufgebraucht haben – also kurz vor dem Exitus stehen – ABER jedoch vor der Krise wirtschaftlich völlig gesund gewesen sein!“

Auch hier keine Veränderung. Wir dürfen für die zweite Staffel Kurzarbeit anfragen und ich hoffe, dass man in Anbetracht der schwer getroffenen Branche auch eine dritte und vierte Staffel ermöglichen wird.

Es heißt also: weiterhin zittern und in eine ungewisse touristische Zukunft blicken und hoffen, dass sich doch noch jemand für unsere Branche zuständig fühlt …

Ein bekanntes und sehr treffendes Zitat des großen antiken Kirchenvaters Augustinus von Hippo lautet: „Die Welt ist wie ein Buch – wer nicht reist, sieht nur eine Seite…“ Oder wenn Sie es europäischer wollen von José Saramago: „Das Glück hat viele Gesichter. Das Reisen ist wahrscheinlich eines davon …“

Von Elisabeth Kneissl-Neumayr

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