Unser Überlebens-Kampf

Die Situation ist trist: Unsere Reisebüros können nur noch kurz durchhalten. Wenn der Staat nicht schnell und nachhaltig hilft. Jetzt gehen die Betroffenen auf die Barrikaden. Und geben sich kämpferisch. FaktuM befragte 14 Manager, wie sie die Krise durchtauchen.
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Die Touristik-Branche steckt in einer immensen Krise, ein Wiederaufleben des Geschäfts ist derzeit nicht in Sicht. Zugeknöpft geben sich Österreichs Reiseveranstalter: Weder die TUI noch REWE Touristik (ITS Billa Reisen) wollen sich zu Inhaltlichem und zu genaueren Planungen äußern – zu ungewiss ist im Moment die Situation, was Reisewarnungen, Flugmöglichkeiten oder Kostenkalkulationen betrifft. Wenn etwa die Rettung der AUA mit 600 Millionen daran gebunden ist, dass Kurzstrecken teurer werden sollen. Zudem ist dies als Kredit gedacht, bei nicht erfolgender Rückzahlung steigt die Republik als Eigentümer ein.Wenn also nicht einmal die Carrier wissen, wie’s gehen soll, wie soll dann ein Veranstalter vorplanen können? Von ITS Billa Reisen heißt es, dass man versuche, Programme vorzubereiten, jedoch für die nächsten Wochen definitiv kein Land sehe.

Kaum Vorplanung möglich

Und wer beim Italiener in der Wiener Zieglergasse vorbeischaut, der sieht, dass TUI-CEO Gottfried Math und Billa-Reisen-Chef Martin Fast die Köpfe zusammenstecken und beim Arbeitsessen parlieren. Doch Fast schwenkt ab: „Kein Branchenmauscheln. Wir sind seit 20 Jahren befreundet und das war ein privates, freundschaftliches Treffen.“ Nein, nein, sie sollen nur miteinander reden, die großen Bosse – denn nur wenn die Branche zusammenrückt, wird man das ultimative Chaos, das auf diesen Wahnsinn folgt, ausgleichen können. Denn dem Vernehmen nach und Schätzungen zufolge wird jedes zweite Reisebüro sperren und sich die Krise – Corona und dem Babyelefanten, der seinen fetten Hintern auf die Branche drückt, geschuldet – so auswirken, dass die Branche fast um die Hälfte schrumpfen wird. Lesen Sie in der Folge, wie Branchen-Profis die Situation beurteilen. 

„Mehr Qualität, weniger Laufkundschaft“

Jutta Ochsenhofer betreibt seit 1991 das Reisebüro „Fox Tours“ im burgenländischen Oberwart. Vor zehn Jahren startete man bei Fox Tours neben dem Outgoing-Business eine Incoming-Schiene, die vor allem E-Bike-, Radreise- und Wander-Pakete anbietet. 

„Wir hatten fünf Mitarbeiter, von denen ist eine Kollegin in Kurzarbeit übriggeblieben. Derzeit leiten mein Mann und ich die Geschäfte. Ich bin mit der Abwicklung von Stornos beschäftigt, er betreut den Incoming-Bereich. Für Fox Tours ist die Situation derzeit erträglich, wir haben genügend Rücklagen und durch das Incoming ein gutes zweites Standbein. Derzeit verkaufen wir gebrauchte E-Bikes ab. Im Juni kommen wieder Radreise- und Outdoor-Activity-Pakete dazu. Und wir erarbeiten neue Angebote für den Sommer, die sich vor allem an Familien richten. Zudem vermieten wir zwei Gästewohnungen. Aber wir als Geschäftsführer zahlen uns kein Gehalt aus und versuchen, die Firma zu retten. Was das Outgoing-Geschäft betrifft, haben wir keine Einnahmen, sondern nur Ausgaben. Für geleistete Anzahlungen bieten wir Kunden Gutscheine an, natürlich auf freiwilliger Basis. Wenn der Sommer gut läuft, können wir das bis ins kommende Jahr überstehen. Die Nachfrage nach E-Bike-Reisen ist bereits da. Da sich das meiste draußen abspielt und es zu keinen Gruppenbildungen kommt, rechnen wir mit einem gesteigerten Aufkommen von inländischen Gästen. Unsere Quellmärkte sind Ober- und Niederösterreich sowie Wien. Wir sind hoffnungsvoll, dass die Branche gestärkt aus der Krise hervorgeht und dass mehr Einigkeit herrscht und die Reisebüro-Branche mehr wertgeschätzt wird. Wir erwarten, dass Reisebüros in Zukunft mehr Mut dazu haben, ihre Leistungen wie die Beratungstätigkeit nicht unter den Scheffel zu stellen und sie zu verschenken. Das muss abgegolten werden. Wir versuchen, unsere Angebote mehr zu digitalisieren und Kundengespräche via Videokonferenz zu führen. Es soll mehr qualitativ hochwertige Beratungstätigkeit geben, als das Abwickeln von Laufkundschaft. Kunden, die Rabatte suchen und eine Gratis-Beratung wollen, verweisen wir auf das Internet.“

„Wir greifen nach jedem Strohhalm“

CoCo-Tours in Innsbruck ist spezialisiert auf Reisen nach Australien, Neuseeland und in die Südsee. Seit 2017 führt Clemens Frankenstein das Unternehmen, das sein Vater 1991 gegründet hat. 

„Wir sind alle in Kurzarbeit und konnten bisher unsere drei Mitarbeiter halten. Dazu kommt eine externe Kraft für Marketing. Die Situation ist sehr dramatisch, da wir unsere Buchungen mit einer sehr langen Vorlaufzeit generieren. Für Reisen, die wir jetzt stornieren, haben wir unsere Leistungen im Zeitraum zwischen September und November 2019 erbracht. Dabei wurden Angebote in stundenlangen Terminen mit Kunden ausgearbeitet, die Zahlungen dafür sollten wir jetzt bekommen und daran verdienen. Erschwerend kommt hinzu, dass unsere Destinationen Fernreiseziele sind und auf längere Zeit problematisch bleiben. Ohne Unterstützung durch den Staat wird es sehr eng. Am Beginn der Krise verfügten wir über eine sehr gute finanzielle Basis. Das Problem ist, dass wir von Leistungsträgern wie Airlines mit Gutscheinen abgespeist werden, den Kunden aber 100 Prozent der Zahlungen zurückerstatten müssen. Damit bekam jede Buchung mit einem schönen Plus ein fettes Minus. Das ist über Monate hinweg nur schwer auszuhalten. De facto haben wir seit letztem Herbst umsonst gearbeitet und finanzieren den laufenden Betrieb aus Rücklagen. Wir haben alle zur Verfügung stehenden Förderungen beantragt und hoffen, dass das Hilfspaket für Reisebüros zustande kommt und entgangene Provisionen ersetzt. Dann können wir einen noch längeren Zeitraum überstehen. Im August werden wir uns zusammensetzen und die Situation neu beurteilen. Wenn bis zum Jahresende 2020 keine Reisen nach Australien oder Neuseeland möglich sind, halten wir das ohne Unterstützung nicht durch. Wir werden nach jedem Strohhalm greifen und hoffen auf Reisen in ,smarte Nationen‘, in denen das Coronavirus nahezu ausgerottet ist. Deshalb bleiben wir positiv. Wir werden in der Branche mehr zusammenrücken und, wenn das möglich ist, auch Reisen innerhalb Europas anbieten, um im Sommer und Herbst Buchungen für Kollegen und für uns zu generieren.“

Von Alexander Haide

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