Piloten-Spiele

Der drastische Sparkurs bei der Laudamotion bringt die Mitarbeiter in Rage.
© privat

Gut ist es nicht gerade, das Klima zwischen Austro Control und der Ryanair-Tochter Laudamotion.

Nun also steht der Knaller am Beginn meines Leitartikels. In dem ich eine ganze Reihe von überraschenden Informationen verspreche: Die Flugbewilligungen von Laudamotion sind alle auf Österreich abgestellt. Und wie FaktuM exklusiv informiert wurde, gibt’s gerade heftige Verhandlungen, dass die nach Malta übersiedeln sollen. Und dann wären die Ryanair bzw. ihre Tochter schlagartig ein gröberes Problem los. Das sich in vielen Punkten äußert. 180 sogenannte „Findings“ hat die Austro Control Laudamotion jüngst um die Ohren gehaut. Amateuerhaft erklärt sind das Verfehlungen bei Reports, beim Ausfüllen der Flugdokumente oder bei der Erfüllung von technischen Auflagen. Das muss nix Großes sein, das können Peanuts oder administrative Fehler sein, da kann aber auch das eine oder andere Bomberl schlummern. Das teuer wird. Wenn etwa ein Airbus bei Laudamotion eingeflottet werden soll und Austro Control auf dem Standpunkt steht, dass die Laudamotion zum jetzigen Zeitpunkt (bei Redaktionsschluss) nicht in der Lage ist, die Einflottung vorzunehmen. Also steht das hübsche Spielzeug schon seit Tagen vor dem Hangar und tut das, was am teuersten ist: Es fliegt nicht …

Was dafür fliegt, sind die Fetzen bei Laudamotion. Der Standard berichtete am 30. August 2019 unter dem Titel „Austro Control prüft Fehlerkultur bei Laudamotion“ mit dem Wortlaut: „Die Mutter Ryanair legt Mitarbeitern die Daumenschrauben an, wer nicht mitzieht, darf gehen.“ Und FaktuM belegt das mit Dokumenten. Zum Beispiel dem „Lauda Base Pilot 3 Year Plant Agreement“. Was es damit auf sich hat? Nun, das ist ein ziemlich haariger Knebelvertrag für die Piloten der Airline. Momentan sind am Standort Wien fünf Airbus A320 stationiert. Rund 120 Piloten und etwa 240 Flugbegleiter sind hier tätig. Dazu kommen noch das Personal in den Büros sowie der Wartungsbetrieb und die Technik. In Summe werken etwa 600 Mitarbeiter für die Airline. Und die zittern allesamt. Denn ihnen wurde deutlich zu verstehen gegeben, dass man mit dem Verlust von Arbeitsplätzen rechnen müsse, eventuell gar mit der Schließung des Standortes, wenn die Produktivität nicht gesteigert würde, die Kosten reduziert. Und da muss dann auch ein Betriebsrat – wenn’s ihm die Mehrheit schafft – zähneknirschend Regelungen zustimmen, selbst wenn sie dem KV oder österreichischen Gesetzen nicht entsprechen. FaktuM präsentiert hier exklusiv einen Drei-Jahres-Plan für die Piloten, der drastisch zeigt, wie hier vorgegangen wird. Auf unserem Faksimile (nächste Seite) sehen Sie das vom Betriebsrat unterschriebene Agreement. In mehreren Betriebsversammlungen (die wurden in Teilen abgewickelt, damit das Ganze nicht als Streik daherkommt und der Flugbetrieb aufrechterhalten werden kann) stimmten die Mitarbeiter ab. Und die Langgedienten, die sich davor fürchteten, ihre Jobs zu verlieren, lenkten ein. Dabei hat es der allgewaltige, clevere Michael O’Leary, Boss der gigantischen Airline, der in Dublin mit der Rutsche von seinem Büro (muss ein verspielter Typ sein) abwärts rauscht, mit seiner Austro-Tochter eigentlich ganz gut getroffen. Verdient doch bei seiner Ryanair ein Pilot üblicherweise monatlich 12-14.000 brutto (freilich nur 12 Mal), so können sich Laudamotion-Piloten nur an rund 7.000 Euro brutto (dies freilich 14 Mal) erfreuen (ungefähre Richtwerte). 

Dass FaktuM zu diesem Thema überhaupt Informationen bringen kann, hatte ein kompliziertes Vorspiel. Und wurde diskret abgewickelt. Denn bei den Laudamotion-Mitarbeitern regiert die Angst. Und die ist auch monetär begründet. So dürfen wir Ihnen am Fuß dieser Seite ein Faksimile präsentieren: Wer gegen die Geheimhaltungspflicht verstößt, dem droht eine Konventionalstrafe in Höhe von 15.000 Euro. Ein deftiger Betrag. Zwar nach Meinung des FaktuM-Anwalts nicht unbedingt eine Sache der guten Sitten und definitiv im Eintreibungsfall anfechtbar, aber immerhin Halsschraube genug, um die meisten dort zum Schweigen zu bringen. 

Doch das, was den Laudamotion-Mitarbeitern vom Unternehmen aufgebuckelt wird, ist mittlerweile so intensiv geworden, dass der Unmut wächst: Laut dem Agreement verlieren die Piloten künftig Urlaubstage, die ihnen einseitig vom Unternehmen abgezogen werden. Was ausdrücklich gegen das österreichische Urlaubsgesetz verstößt. Da bei der Konsumation eines Urlaubstages die Zustimmung sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer (!) vorliegen muss. Ein Urlaubstag darf sohin nicht nur einseitig von der Firma ohne Zustimmung des Arbeitnehmers erfolgen – es sei denn, es handelt sich um einen Betriebsurlaub. Die Laudamotion-Mitarbeiter haben jetzt eine neue Regelung, laut der sie eine Produktivität von durchschnittlich 85 Stunden pro Monat erbringen müssen. Dabei geht’s um sogenannte Blockstunden. Und die berechnet man im Fluggeschäft vom Wegrollen von der Parkposition bis zum Wiederandocken beim Gate und der Ankunft am Zielort. Die Geschichte der Produktivität hat freilich einen kleinen, aber entscheidenden Haken: Denn nicht der Pilot bestimmt den Dienstplan, sondern den entscheidet die Firma. Laut dem Agreement sind die Piloten jetzt angehalten, fünf Tage im Einsatz zu sein, haben dann drei Tage frei, sind dann wieder fünf Tage on und haben dann zwei Tage off. Was auch eine deutliche Schlechterstellung gegenüber der Ryanair ist, deren Piloten fünf Tage on sind und danach vier Tage frei haben. Und dann gibt’s da noch einen Haken: Nämlich die Regelung rund um das gesetzliche Stundenlimit von maximal 900 Flugstunden im Jahr. Die EASA (European Union Aviation Safety Agency, die europäische Agentur für Flugsicherheit) schreibt dies vor. Hat nun ein Pilot aufgrund des massiven Einsatzes im Sommer, wo er viele Stunden fliegt, im Oktober seine 900 Stunden bereits erreicht, dann werden ihm mit den neuen Verträgen Daumenschrauben angelegt. Einerseits darf er nicht mehr fliegen – was seiner Produktivität natürlich nicht gerade zugute kommt, auf die er (siehe oben) gar keinen Einfluss hat –, andererseits muss er nach den neuen Kontrakten zuerst einmal seinen Resturlaub abbauen. In voller Länge. Danach darf er keinen Urlaub konsumieren, sondern muss sein Training am Simulator abwickeln. Und erst, wenn kein Training mehr offen ist, darf er bei voller Bezahlung herumsitzen.

All dies führte einerseits zu Verstimmungen im Haus, andererseits zum Steigen der Angst, was die Zukunft des Unternehmens betrifft. Der Betriebsrat wiederum unterschrieb die strittige Vereinbarung und bat um Bestätigung, dass wenigstens Kündigungen ausgeschlossen werden sollten. Doch die wurde nicht gegeben. Mit gutem (schlechtem) Grund: Denn nun wurden vier Laudamotion-Mitglieder zur Geschäftsführung zitiert und ihnen wurde beschieden, dass ihre Dienste nicht mehr benötigt werden. Die betroffenen Piloten waren mit Zusatzaufgaben zu ihrem eigentlichen Job betraut: Als Flugbetriebsleiter, Trainingschef, Vize-Trainingschef und Technischer Pilot. Doch diese Zusatzfunktionen hatten sie kurz davor zurückgelegt. 

Die Unterschrift des Betriebsrats unter die einigermaßen komplizierte Vereinbarung, die natürlich schlechter als der Kollektivvertrag ist, hat nun fatale Folgen für jeden Einzelnen: Jeder Angestellte müsste als Einzelperson von seinem Individualrecht Gebrauch machen, wenn er Einsprüche gegen die Vereinbarung hat. Inzwischen muss er die vom Betriebsrat unterzeichnete, nicht rechtskonforme Vereinbarung hinnehmen. Einfach so. Es müssten also Einzelpersonen gegen das Unternehmen Klage führen, was – wer den Konzern kennt, ahnt, wie’s weitergeht – nicht unbedingt zuträglich für den Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes wäre. 

FaktuM hält diese Geschichte für etwas weniger lustig. Warum, werden wir Ihnen in einer Folgegeschichte in der kommenden Ausgabe erzählen. 

Herzlichst 

Ihr

Christian W. Mucha

Herausgeber

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