Reise zum Geschäft

Corona-Hürden, Sparprogramme, Videokonferenzen: Die klassische Geschäftsreise ist in eine handfeste Krise geraten. Profis orten trotzdem kein Ablaufdatum. Das Hochfahren von Angestellten auf Achse wird aber sicher kein leichter Spaziergang.
© Adobe Stock

Videokonferenzen haben der Business-Reise vielfach den Rang abgelaufen. Das könnte sich allerdings schon bald wieder ändern

Eine Umfrage von Travel Management Companies im Deutschen Reiseverband (DRV) sollte allfällige Zweifel vollständig beseitigen. Business-trips gelten in der Wahrnehmung von Angestellten keineswegs als von oben verordnete Zusatzbelastung. Sondern als Abwechslung vom Alltag in Büros und Konferenzräumen. Die Akzeptanz mag jedenfalls verblüffend klingen: 54 Prozent der Dienstreisenden geben an, dass berufliche Fahrten zu Kunden oder Geschäftspartnern den Job attraktiv machen. 

Jene Würze gegen Monotonie und Routine ist momentan nicht verfügbar. Die Corona-Krise hat den dienstlichen Verkehr global fast zum Stillstand gebracht. „Home Office statt Hotelbar“ könnte das Motto lauten, wie auch eine Untersuchung von Geschäftsreiseanbieter BCD Travel belegt. Demnach gab es weltweit in 76 Prozent der Unternehmen einen Stopp für sämtliche einschlägigen Aktivitäten. Sieben von zehn Befragten hatten Geschäftsreisen zum Zeitpunkt der Ausbreitung von Covid-19 in ihrer Region geplant. Von diesen wurden 67 Prozent storniert oder verschoben und 30 Prozent virtuell abgehalten. Nur drei Prozent fanden tatsächlich statt.

Bei Ikea Österreich stehen die Ampeln nach wie vor auf Rot. Seit Pandemie-Beginn wurden alle Besprechungen in den Cyberspace verlegt, sogar einwöchige Sitzungen. Bis zum 31. August sind seitens des Möbelhauses auch nur geschäftskritische Reisen ins Ausland erlaubt – nach ausdrücklicher Genehmigung durch das Country Risk Management. Für globale Zusammenkünfte gelten bis Ende Oktober noch weit strengere Regeln. „Internationale Meetings, bei denen über zehn Personen reisen müssten, werden auf einen späteren Zeitpunkt verschoben oder virtuell abgehalten“, erläutert Sprecherin Barbara Riedl. 

Existenzielles Problem

Angesichts derartiger Szenarien rund um den Planeten mehren sich warnende Stimmen. Geortet wird ein existenzielles Problem für die Sparte Geschäftsreisen, das schwer mit dem Argument Panikmache wegzuwischen ist. Denn Sparprogramme in wirtschaftlich krisengebeutelten Betrieben sind Realität. So wie gestrichene Reisebudgets oder ungelöste Sicherheitsfragen betreffend Kollegen außer Haus. Dann zeigen Entscheider lieber gleich die rote Reisekarte, bevor Schlüsselpersonal aufgrund einer unkalkulierbaren Lage plötzlich weit entfernt festsitzt. 

Damit steht für die von Covid-19 ohnehin schwer lädierte Branche das nächste Gespenst im Raum. Eine kaum vorhandene Nachfrage für Dienstreisen über Monate hinweg würde besonders jenen Marktbegleitern zusetzen, die mit Firmen gutes Geld verdienen. Kompetitiv ist der Markt ohnehin schon lange aufgrund attraktiver Margen. Ob dann gerade Spezialanbieter finanziellen Atem besitzen für eine gröbere Durststrecke, bezweifeln Insider. Speziell kleinere Mitspieler dürften in Bedrängnis geraten.

Doch auch Airlines würde ein solcher Sinkflug ordentlich Geld kosten. Schließlich ist es allseits bekannt, dass CEOs und Manager an Bord die Kasse mehr zum Klingeln bringen als Ausflüge nach Mallorca. Viele Dienstreisende sind Vielflieger und buchen Business Class oder First Class. Solche Kunden sind natürlich heiß begehrt. Selbst Billigflieger haben in der Vergangenheit ihre Marketing-Fühler ausgestreckt. Wenn jene Klientel künftig den Fenstersitz mit dem Blick aus dem Bürofenster tauschen muss, gehen dringlichst benötigte Einnahmen verloren. 

Als weiterer potenzieller Spaßverderber erweist sich die Digitalisierung. Nicht erst seit Corona ist in den Chefetagen bekannt, dass Online-Videokonferenzen funktionieren, vom Personal angenommen werden und das Budget nachhaltig schonen. Als im Zuge der weltweiten Finanzkrise 2008 die Rotstifte zu wüten begannen, schlug erstmals die Stunde solcher Alternativen. Damals war die Technologie aber wenig ausgereift und die Akzeptanz eher gering. Zu viele Nutzer wollten partout nicht den Gedanken akzeptieren, Kollegen oder Geschäftspartner via Monitor zu treffen. 

Normalität Video

In den letzten Jahren haben die Lösungen jedoch an Qualität zugelegt und sind nun in vielen Firmen Normalität. „Videokonferenzen kommen stärker für den internationalen Austausch zum Einsatz. Während der Covid-19-Krise hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass Geschäftsreisen für einstündige Abstimmungen nicht erforderlich sind. Solche Meetings werden zum Vorteil aller Beteiligten remote abgehalten. Das spart Kosten und Zeit für wichtige Reisen, etwa zum Beziehungsaufbau im Ausland“, weiß Olivia Stiedl, Expertin der Managementberatung Pwc Österreich.

Die IT-Branche hört solche Worte naturgemäß gerne. Schließlich könnte bald eine kleine Goldmine entstehen bei steigender Begeisterung der Wirtschaft für Online-Kommunikation. An Lösungen herrscht ohnehin kein Mangel, die Zahl der Produkte steigt. Die Plattform „baldaja Connect“ verknüpft Vortrags-Management mit Teilnehmer-Engagement und Networking. Versprochen wird ein neues Feeling. Wie in einer klassischen Konferenz können Gäste via Online-Tool jederzeit Fragen stellen und zwischen parallel ablaufenden Vorträgen oder Workshops wechseln. 

Weiters besteht die Option zur Verknüpfung mit virtuellen Teilnehmern während des Streams. Sogar im Zuge einer gemeinsamen elektronischen Kaffeepause. Vielleicht ergibt sich dann ein kommerziell tatsächlich verwertbarer Geschäftskontakt. Wer solche trendigen Appetizer auf ihre Praxis-tauglichkeit abklopfen will, kann reale Agenden in die digitale Meeting-Zone übersiedeln. „Wir machen aus der Einbahnstraße der Online-Konferenzen einen Networking-Highway”, lautet das selbstbewusste Motto von Michael Holdkamp, CEO des Geschäftsreiseanbieters baldaja. 

Solche Ankündigungen könnten zunehmend Gehör finden. Die Pandemie zeigt, dass kaum noch Berührungsängste mit modernster Technologie existieren. Die Versicherung Generali Österreich tendiert ebenso in Richtung E-Business. „Wir vermeiden auch jetzt Geschäftsreisen so gut es geht und setzen digitale Kommunikation stärker ein. Künftig sind ebenfalls vermehrt Videokonferenzen und Skype geplant zur Schonung von Ressourcen und Umwelt. Doch bei manchen Sitzungen trägt physische Anwesenheit einfach zum Erfolg bei“, konstatiert CEO Gregor Pilgram.

Von Christian Prenger

Lesen Sie den gesamten Artikel in unserer aktuellen FaktuM-Ausgabe!

FaktuM Jahres-Abonnement zum Vorzugspreis hier bestellen>>

Gefällt Ihnen der Beitrag?
Facebook
Twitter
LinkedIn
Telegram
WhatsApp
Email
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner