Fahrverbote in Tirol sorgen für Zwist

Der deutsche Verkehrsminister kündigte eine Klage gegen Österreich an.
© pixabay/michaelwedermann

Auch am Brenner gelte das Autobahn-Umgehungsverbot für den Pkw-Reiseverkehr

Die von Tirol verhängten Fahrverbote auf dem niederrangigen Straßennetz nach den Autobahnausfahrten im Großraum Innsbruck, um “Stau-Ausweicher” zu unterbinden, hat zu Unstimmigkeiten mit Deutschland geführt. Der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kündigte am Montag an, eine Klage gegen Österreich beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzubereiten.

Gegenstand sollen Beschränkungen des Güterverkehrs wie die Lkw-Blockabfertigung sowie auch die jüngsten Autobahn-Umgehungsverbote für den Pkw-Reiseverkehr sein, sagte er am Rande einer CSU-Vorstandssitzung in München. Scheuer warf dem Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) vor, aus dem Thema eine “richtige Politkampagne” gemacht zu haben. Die jüngsten Verbote, von der Transitautobahn abzufahren, wies er “aufs Schärfste” zurück. Man müsste den Warenverkehr in Europa einstellen, wenn sich jeder so verhielte wie Tirol. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder begrüßte die von Scheuer angekündigten juristischen Schritte ausdrücklich.

Europarechtsexperte Walter Obwexer von der Universität Innsbruck sah die Maßnahmen hingegen unionsrechtlich gedeckt. Österreich könne einer möglichen Klage Deutschlands “relativ gelassen entgegensehen”, meinte er im Gespräch mit der APA. Durch die vielen Stau-Umfahrer sei sowohl die Verkehrssicherheit, als auch die Funktionsfähigkeit des Verkehrssystems in den betroffenen Ortschaften gefährdet, beides müsse aber erhalten bleiben, erklärte Obwexer den rechtlichen Hintergrund. Obwohl die Fahrverbote In- und Ausländer gleichermaßen betreffen, sah der Europarechtsexperte trotzdem eine “mittelbare Diskriminierung” von EU-Bürgern, da der Anrainerverkehr erlaubt bleibt und die meisten Anrainer Inländer sind. Eine “mittelbare Diskriminierung” dürfe es aber geben, wenn sie gerechtfertigt und wenn die Regelung verhältnismäßig sei. Und beides sei in diesem Fall gegeben, so Obwexer.

Platter sah einer möglichen Klage Deutschlands gelassen entgegen. “Unsere Maßnahmen sind zu 100 Prozent EU-rechtlich gedeckt”, erklärte er. “Wenn Bayern eine Klage gegen unsere Fahrverbote auf ausgewählten Landesstraßen sowie gegen die Lkw-Blockabfertigung für sinnvoll erachtet, sollen sie das machen”, meinte der Landeshauptmann. Klüger wäre es aber, endlich an Maßnahmen für die Bevölkerung und nicht an Klagen zu arbeiten. Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne) nahm “die angedrohte Klage zur Kenntnis”. “Wenngleich ich sie nicht nachvollziehen kann”, so Felipe.

Verkehrsminister Andreas Reichhardt zeigte Verständnis für das “unter der Verkehrsbelastung leidende Bundesland Tirol“. “Grundsätzlich habe ich Verständnis für die Tiroler Bevölkerung, die unter dieser enormen Verkehrsbelastung leidet”, so Reichhardt in einer der APA übermittelten Stellungnahme. “Dementsprechend gehe ich davon aus, dass das Land Tirol europarechtlich abgesichert agiert hat”, sagte Reichhardt.

Sollte Deutschland Klage gegen das EU-Mitglied Österreich erheben, müssten zunächst alle Mitglieder des deutschen Bundeskabinetts dem zustimmen. Wenn dies der Fall ist, muss zunächst die EU-Kommission befasst werden. Diese hört den betroffenen Mitgliedstaat an und hat insgesamt drei Monate Zeit, eine mit Gründen versehene Stellungnahme abzugeben. Anschließend kann Klage beim EuGH erhoben werden, auch wenn die Kommission keine Stellungnahme abgegeben hat.

 

APA/red

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