Ticket-Schlichtungsstelle erzielte 2022 1,6 Mio. Euro für Reisende

Bahn- und Fluggäste erhielten im Schnitt je 448 Euro - Allzeitrekord der Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (apf) im Bahnbereich - 1.120 Anfragen und 888 abgeschlossene Verfahren
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Die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (apf), die Schlichtungs- und Durchsetzungsstelle für den Bahn-, Bus-, Schiffs- und Flugverkehr in Österreich, hat im Vorjahr mehr als 1,6 Millionen Euro für Reisende in mehr als 4.200 Verfahren erwirkt. Das ist ein deutliches Plus gegenüber 2021, besonders im Bahnbereich. Hier gab es einen Allzeitrekord an Anfragen, 888 Schlichtungsverfahren wurden im Bahnbereich abgeschlossen. Bahn- und Fluggäste erhielten im Schnitt je 448 Euro.

Verspätungen, Flug- oder Zugsausfälle, Überbuchung, Nichtbeförderung, fehlende Informationen über Fahr- und Fluggastrechte, fehlende Hilfeleistungen oder Nichteinhaltung der Rechte von Menschen mit Behinderungen. All das sind Fälle, bei denen die apf in den vier Verkehrsbereichen vermitteln kann. Insgesamt 4.264 Schlichtungsverfahren wurden eröffnet, 3.000 mehr als noch 2021, berichtete Maria-Theresia Röhsler, Leiterin der apf bei einer Pressekonferenz am Mittwoch in Wien. Vor der Pandemie sowie 2020 waren es jedoch noch mehr gewesen. Im Vorjahr wurden somit im Schnitt zwölf Verfahren pro Tag eröffnet. “Angesichts des gestiegenen Reiseaufkommens im Jahr 2022 war leider auch mit einem Anstieg an Unregelmäßigkeiten zu rechnen“, sagte Röhsler. Ein Großteil der Entschädigungen entfällt auf Verfahren zu kurzfristigen Flugausfällen. Im Durchschnitt dauert ein Verfahren bei der apf 31 Tage – eine deutliche Verbesserung zum Wert des Vorjahres (87 Tage).

2022 konnte die apf in ihren Schlichtungsverfahren insgesamt 1.603.428 Euro an Entschädigungen und Erstattungen für Reisende erwirken. Der größte Anteil entfällt mit 1,5 Millionen Euro auf den Flugsektor, gefolgt vom Bahnbereich mit 114.600 Euro und vom Busbereich mit 3.300 Euro. Insgesamt 3.581 abgeschlossene Schlichtungsverfahren verzeichnete die apf im Vorjahr, wobei 2.673 auf den Flug-, 888 auf den Bahn- und 20 auf den Busbereich entfielen. Stellt die apf Verstöße gegen die Fluggastrechteverordnung fest, wird dies auch bei der Bezirksverwaltungsbehörde angezeigt.

Die meisten Verfahren wurden im Flugbereich 2022 aufgrund von Annullierungen geführt, das traf auf zwei Drittel der Fälle zu. Im Vergleich zu den Vorjahren gab es auch wieder mehr Verfahren wegen Verspätungen. Aufgrund von Überlastungen, die speziell in den Sommermonaten auftraten, verspäteten sich zahlreiche Verbindungen. Flugreisende erhielten bei den Verfahren im Schnitt 556 Euro. 34 Prozent der Verfahren betrafen die AUA, 21 Prozent Wizzair, zehn Prozent Ryanair und sechs Prozent Eurowings. Insgesamt gebe es mit den Flugunternehmen eine “gute Arbeitsbasis”, auch mit jenen, die “notorisch schwer zu erreichen sind”. Diese zeichnen sich laut Röhsler durch eine “längere Verfahrensdauer” aus, dazu zählt etwa auch Wizzair.

Der Großteil der Erwirtschaftung an Passagiere entfiel im Flugbereich auf Entschädigungen (74 Prozent) und die Erstattung von Ticketkosten (20 Prozent). In 84 Prozent der Verfahren im Flugbereich konnte die apf erfolgreich zwischen den Airlines und den Passagieren vermitteln. Lediglich drei Prozent der Verfahren im Flugbereich mussten mangels Einigung geschlossen werden. Elf Prozent der Verfahren wurden etwa aufgrund von “außergewöhnlichen Umständen” eingestellt. Dazu zählen beispielsweise Landeverbote, Einschränkungen aufgrund der Pandemie, schlechte Wetterverhältnisse oder Streiks die nicht die Airline selbst betreffen, etwa von Fluglotsen. Zwei Prozent der Verfahren wurden wegen sonstiger Gründe – etwa eine Verspätung weniger als drei Stunden – eingestellt.

Im Bahnbereich wurden 2022 so viele Anfragen an die apf gestellt, wie noch nie zuvor. Im November gab es einen eintägigen Eisenbahner-Warnstreik, der Zugsverkehr blieb still. “Wir sehen das auch als Grund, weshalb wir deutlich mehr Beschwerden hatten als die Jahre zuvor”, sagte die apf-Leiterin. Von den 888 im Jahr 2022 abgeschlossenen Verfahren im Bahnbereich endeten 98 Prozent mit einer Einigung zwischen der antragstellenden Person und dem Verkehrsunternehmen. 95 Prozent der Verfahren betrafen die ÖBB, zwei die Westbahn und drei Prozent entfielen auf sonstige Bahnunternehmen.

Die meisten Verfahren wurden im Bahnbereich 2022 zum Thema Ticketerstattung geführt. Insbesondere der Erstattungsausschluss bei PDF-Bezug von ÖBB-Sparschiene-Tickets war in diesem Segment von Relevanz. Diese sind nach dem Bezug nicht mehr refundierbar, Erstattungen gab es aber auf dem Kulanzweg, erläuterte Röhsler. Zudem wurden vermehrt Fälle von sogenannten Downgrades, meist in Zusammenhang mit entfallenen (Nacht-)Zügen, registriert. Auf Platz zwei der Verfahrensgründe lagen mit 29 Prozent Strafen, etwa wenn Passagiere falsche Tickets gekauft hatten.

Überfüllte Züge und vor die Tür gesetzte Passagiere ohne Sitzplatzreservierung waren im Vorjahr auch immer wieder Thema. Zwei Prozent aller Bahn-Verfahren hatten das als Ursache. Von den erzielten 114.600 Euro an monetären Entschädigungen im Bahnbereich betrafen rund 54 Prozent Erstattungen bzw. Refundierungen.

Röhsler berichtete auch von vermehrten Problemen mit Reisevermittlern- und Online-Buchungsplattformen. Bei Flügen werden hier beispielsweise für die Strecke Wien – Hamburg – Bangkok Buchungen bei zwei verschiedenen Airlines mit zwei Tickets angeboten. Diese haben getrennte Beförderungsverträge, was de facto eine Aufkündigung der Passagierrechte bei der Zweitverbindung bedeutet. Ist der Hinflug so verspätet, dass der vermeintliche Anschlussflug verpasst wird, muss ein neues Ticket gekauft werden, erläuterte die afp-Leiterin. “Wir empfehlen, direkt bei den Fluglinien zu buchen”, rät die Expertin.

Bevor Reisende sich an die apf wenden können, müssen sie zuerst selbst das jeweilige Unternehmen kontaktieren. Kommt es zu keiner Einigung oder gibt es keine Reaktion, können sich Kunden an die apf wenden. Schlichtungsanträge sind bei der apf immer schriftlich einzubringen, damit alle notwendigen Unterlagen vorliegen und rasch Kontakt mit dem Unternehmen aufgenommen werden kann. Der Online-Schlichtungsantrag ist unter www.passagier.at abrufbar. Dort finden sich auch Musterbriefe für den Erstkontakt mit den jeweiligen Unternehmen. Für Rückfragen steht das Team der apf den Passagieren auch telefonisch unter +43 1 5050707-710 (Bahn); 720 (Bus); 730 (Schiff); 740 (Flug) zur Verfügung. Die apf hilft kostenlos und provisionsfrei.

APA/Red.

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