Tourismus will nach zwei Jahren Corona mit Personallücke durchstarten

Buchungslage trotz schwierigen Umfelds und hoher Inflation auf gutem Niveau.
ÖW/Christandl

v.l.: Robert Seeber, Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler und Lisa Weddig bei den Österreichischen Tourismustagen

Trotz Ukraine-Kriegs und hoher Inflation ist der Sommerurlaub für viele zunehmend ein Thema. Nach zwei Jahren Pandemie will die Tourismusbranche nun – wenn auch mit Personalmangel – durchstarten. Der Krieg in der Ukraine sei eine „humanitäre Katastrophe“, betonte die frisch ernannte Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler bei der Eröffnung der Österreichischen Tourismustage (16.-19.5.) im Austria Center in Wien. „Die langfristigen Auswirkungen sind noch unabsehbar.“

Die heimischen Tourismusbetriebe hoffen aber vorerst, dass es sie „nicht so betrifft wie das ursprünglich befürchtet wurde“, so Kraus-Winkler. „Große Stornokrisen sind trotz Ukraine-Kriegs ausgeblieben, aber die Nachfrage steigt noch nicht schnell genug.“ Vor allem der Städtetourismus bleibe „oberste Priorität“. Die hohe Inflation habe sich auf die Buchungslage noch nicht ausgewirkt. Was die Branche bremst, sei der Fachkräftemangel.

Die Angaben aus der Branche zu den fehlenden Mitarbeitern schwankten – je nach Betrachtungsweise – zwischen 20.000 bzw. 25.000 (laut Österreichische Hoteliervereinigung) und rund 35.000 laut Kraus-Winkler. „Ich denke, die Zahl wird irgendwo um die 35.000 liegen, wenn man die gesamte Kernsaison des Sommers betrachtet“, schätzt die Staatssekretärin allein mit Blick auf Hotellerie und Gastronomie. Die Reisebüros und andere Bereiche suchten aber auch Personal, merkte sie an.

Der Vorstand des Arbeitsmarktservice (AMS), Johannes Kopf, wiederum setzt den Mitarbeitermangel in der Branche wesentlich niedriger an. „Es gibt einen großen Bedarf an Arbeitskräften in Tourismus und Gastronomie, auch beim AMS sind aktuell 15.500 offene Stellen gemeldet“, sagte der AMS-Chef im Ö1-Mittagsjournal des ORF-Radios. Zum Teil sei der Umstand, dass Personal fehle, auch dem geschuldet, „dass da einfach zwei sehr unsichere Jahre waren und dass gerade Tourismusbeschäftigte es in den letzten zwei Jahren nicht lustig gehabt haben, eh auch die Eigentümer nicht, die Unternehmer nicht“, so Kopf. Das solle heißen, „dass zum Beispiel die Arbeitslosigkeit ungleich höher als in anderen Branchen gestiegen ist, dass wahnsinnig viele in Kurzarbeit waren, die Kurzarbeit aber nicht einen wesentlichen Gehaltsbestandteil, nämlich das Trinkgeld, abdeckt, und so weiter“. Das AMS wolle Betrieben nun helfen, „ein attraktiver Arbeitgeber zu sein“. Dabei gehe es nicht nur um die Höhe der Löhne, sondern auch um Arbeitsbedingungen, zum Beispiel das Thema Planbarkeit von Diensten – „das ist für Arbeitnehmer sehr sehr wichtig“ – oder die Themen Kinderbetreuung sowie Ganzjahresbeschäftigung.

Von politischer Seite her kam es bei den Rahmenbedingungen für den Jobmarkt im Tourismus bereits zu ersten Erleichterungen: „Die Rot-Weiß-Rot-Karte wurde verbessert – das war ein erster und ein wichtiger Ansatz“, strich Kraus-Winkler bei den Österreichischen Tourismustagen hervor. Auch das Punktesystem für Fachkräfte sei vereinfacht worden. Die Neuregelung für Stammsaisonniers, die im Dezember 2021 fixiert wurde, zeigt auch schon Wirkung: „Bisher wurden dadurch 750 zusätzliche Stellen geschaffen“, berichtete die Tourismusexpertin. Dank der neuen Regelung kann das ursprüngliche Kontingent, das bei rund 2.000 Beschäftigten aus Nicht-EU-Ländern lag, bis zu 50 Prozent überschritten werden. Für 2023 sei zudem eine umfassende Arbeitsmarktreform geplant, erinnerte Kraus-Winkler. Ziel sei unter anderem „eine schnellere Vermittlung am Arbeitsmarkt“. Es seien alle Mittel auszuschöpfen, um „die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder zurückzuholen, die aus unserer Branche abgewandert sind“.

Auch der Bundesspartenobmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer Österreich, Robert Seeber, machte die hohe Zahl an offenen Stellen in der Branche als eine der vier Hürden der Zukunft fest – neben der Pandemie, dem Ukraine-Krieg und dem hohen Investitionsdruck, den die Betriebe verspürten. „Der Arbeitsmarkt war schon vor Corona angespannt, hat sich in der Krise verschärft“, hielt Seeber fest. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien „teilweise in Pflegeberufe abgewandert, zu Banken/Versicherungen oder in den öffentlichen Dienst“, berichtete der Branchensprecher. „Wir haben einen Arbeitnehmermarkt, keinen Arbeitgebermarkt, das sind Sachen, die wir spüren.“ Es habe nicht nur der Tourismus Probleme, „sondern alle Branchen“.

Dabei dürfte Sommerurlaub in Österreich heuer zunehmend gefragt sein: „Wir haben eine sehr gute Buchungslage für den Frühsommer, den Sommer und bis in den Herbst hinein – die Menschen sehnen sich nach Urlaub“, sagte Seeber. „Wir befinden uns in einem Aufschwung, in einer Re-Start-Phase.“

In Zahlen gegossen sieht es insgesamt freilich noch nicht ganz so rosig aus: Für die Sommersaison 2022 erwartet die nationale Tourismusmarketing-Organisation Österreich Werbung (ÖW) gegenüber dem Vorjahr bei den Buchungen „ein Plus von 1 Prozent“, sagte ÖW-Chefin Lisa Weddig bei der Eröffnung der Tourismustage. „Wir erwarten noch einmal eine Steigerung zum Vorjahr.“ Allerdings lag der Sommer 2021 laut Weddig um 16 Prozent unter dem Niveau vor Corona. Die Buchungen zeigten Monat für Monat nach oben – im März sei man noch um 19 Prozent unter der Zeit vor der Pandemie gelegen. Der Städtetourismus sei nach wie vor „am meisten betroffen“.

Sehr gute Buchungszahlen für den Sommer gebe es beispielsweise aus südeuropäischen Ländern und den arabischen Ländern sowie Buchungen aus dem deutschsprachigen Raum. Noch mit Fragezeichen versehen seien hingegen die Buchungen aus den CEE-Ländern, die mit starken Fluchtbewegungen aus der Ukraine und einer noch höheren Inflation konfrontiert seien, und China, das immer noch vom internationalen Reiseverkehr ausgeschlossen sei.

„Wichtig ist, dass Österreich offen bleibt“, strich die ÖW-Geschäftsführerin hervor. Die Branche sei erleichtert, dass die 3G-Regel bei der Einreise nach Österreich gefallen ist, man also ohne Corona-Auflagen frei in das Land kommen kann.

An den Österreichischen Tourismustagen (ÖTT), die auch online mitverfolgt werden können, nehmen heuer mehr als 1.200 nationale und internationale Teilnehmerinnen und Teilnehmer physisch teil. Im Rahmen der angeschlossenen Fachmesse ATB treffen knapp 390 internationale Einkäuferinnen und Einkäufer der Branche aus 45 Ländern auf 260 heimische Ausstellerinnen und Aussteller. Insgesamt stehen 27 Keynotes und Panels mit 44 nationalen und internationalen Vortragenden auf dem Programm.

Unter dem heurigen Kongressmotto ReDesign Tourism | now widmen sich die Vorträge und Panels laut Österreich Werbung jenen Themen, „die nach der größten Tourismuskrise seit Jahrzehnten die mehrere Jahre dauernde Erholungsphase und darüber hinaus bestimmen werden“. Es gehe um zentrale Zukunftsthemen wie Österreichs Perspektiven als Green Destination, die Zukunft der Mobilität, neue Anwendungen durch Datenbündelung, aber auch um Gästetrends, welche Maßnahmen die Erholung des Städtetourismus fördern können oder um Strategien gegen den Arbeitskräftemangel im Tourismus.

 

apa

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