Under pressure

Laudamotion ist die unendliche Geschichte des degoutanten Verhaltens und des Nötigens von Mitarbeitern sowie der Gewerkschaft. Bis hin zur Unter-Druck-Setzung der Republik und des Airports. FaktuM sprach mit einem Insider über Entlohnung und Arbeitsbedingungen.
© Adobe Stock

Die zu Ryanair gehörende Laudamotion ist für ihren rigiden Umgang mit den Mitarbeitern bekannt. Hier packt ein Insider im Interview aus, wie es hinter den Kulissen wahrhaftig zugeht

Namen nicht nennen und Ihr Gesicht nicht zeigen?

Informant: Die Problematik besteht nicht nur bei Ryanair, sondern bei jeder Firma: Solange man noch beschäftigt ist, wird es nicht gerne gesehen, wenn man Internes ausplaudert. Ryanair ist dafür bekannt, dass sie gegen Einzelpersonen gerne Klagen einbringt. Das ist in der Luftfahrt sonst nicht so häufig. Bei Ryanair ist das jedoch gang und gäbe. 

FaktuM: Wovor haben Sie Angst? Wurden Sie oder Ihre Kollegen schon oppressiert?

Informant: Angst implementiert ja die Gefahr einer Klage. Bei der Ryan-
air-Gruppe ist es auch bei einem Krankenstand so: Wenn man ihn meldet und der Firma scheint es, dass das zu häufig vorkommt, wird man ins Headquarter nach Dublin vorgeladen und muss sich dort rechtfertigen. Das ist in der Luftfahrt besonders heikel: Denn ein Pilot sollte sich, wenn er krank ist, nicht darüber Gedanken machen, ob er sich jetzt krankmeldet oder nicht. Sondern er sollte sich bedenkenlos krankmelden können, wenn er fluguntauglich ist. Das ist ein großes Problem in der ganzen Ryanair-Gruppe. Da Laudamotion zu 100 Prozent zu Ryanair gehört, werden alle Fäden von Dublin aus gezogen. Wien war da immer nur eine Zweigstelle.

FaktuM: Was ist Ihre Funktion im Unternehmen?

Informant: Ich bin Copilot.

FaktuM: Wie läuft der Arbeitsalltag ab? Was unterscheidet die Arbeit bei Laudamotion von der bei anderen Airlines? Waren Sie vorher bei einer anderen Airline beschäftigt?

Informant: Nein. Der Arbeitsalltag unterscheidet sich generell nicht von dem bei einer anderen Airline. Ein Flugzeug muss von A nach B gebracht werden. Da gibt es Normen, die muss man einhalten. Ein Unterschied sind nur die sogenannten Turnaround-Zeiten. Das sind die Zeiten, die das Flugzeug am Flughafen andockt, die Zeit für das Aus- und Einsteigen der Passagiere und das Be- und Entladen ihres Gepäcks. Diese Zeit ist bei Ryanair extrem knapp bemessen. Sie beträgt nur 25 Minuten. Das ist schon recht „knackig“, wenn man sich vorstellt, man hat 180 Passagiere, vielleicht noch Leute mit Rollstühlen. Es muss getankt werden, das Gepäck muss aus- und wieder eingeladen werden. Da ist die Zeit von 25 Minuten oft sehr, sehr knapp. Manchmal bleibt einem Piloten nicht einmal die Zeit, aufs Klo zu gehen. Das ist bei anderen Fluglinien etwas humaner bemessen. Das ist halt Ryanair-Philosophie. Die Turnaround-Zeit ist machbar, und sie ist so optimiert, dass sie meistens eingehalten werden kann. Natürlich gibt es immer wieder selbst produzierte Verspätungen. Wenn ich beispielsweise einen Flug habe, der auf die Kanaren geht, wo das Flugzeug fünfeinhalb Stunden in der Luft ist, brauche ich entsprechend viel Sprit. Da dauert das Betanken alleine 25 bis 30 Minuten. Die 25 Minuten sind nur einhaltbar, wenn alle Komponenten ohne Probleme bzw. Extras funktionieren. Das ist bei Ryanair operationell anders als bei anderen Airlines.

FaktuM: Es gab jetzt einen Aufstand der Mitarbeiter, und da haben Sie unserem Herausgeber am Telefon gesagt, das sei das „Stockholm-Syndrom“. Was ist damit gemeint?

Informant: In unserer Firma gibt es zwei Lager, was die neuen Arbeitsbedingungen (nach dem neuen Kollektivvertrag) angeht. Die Firma sagte, dass die Personalkosten in der jetzigen Zeit von Corona viel zu hoch sind. Die Kosten müssen gesenkt werden. So wurden an das Kabinenpersonal und an die Flightcrew neue Verträge ausgeschickt, die einen neuen Kollektivvertrag vorsehen. Die Ryanair-Führung spricht von einer Einbuße von 20 Prozent. In Wahrheit beträgt die Gehaltseinbuße aber, wenn man so wie jetzt nur etwa 30 Stunden pro Monat fliegt, bis zu 50 Prozent. Das Unternehmen geht da von einem Aufkommen von 800 oder 900 Flugstunden pro Jahr aus, was das gesetzliche Limit ist, aber das wird sicher nicht geflogen werden. Das ist dieses Jahr infolge der Corona-Krise überhaupt nicht machbar. Bezüglich der Unterschrift zum neuen Kollektivvertrag wurde eine Deadline gesetzt. Das war der 21. Mai. Da hat es dann geheißen, die Gewerkschaft Vida muss unterschreiben. Der Wahnsinn an der ganzen Geschichte ist, dass jeder von der Besatzung auch ein E-Mail bekommen hat, dass wir alle dem vorab zustimmen müssen. Das diente der Firma dazu, dass sie der Vida vorlegen konnte, dass ohnehin der Großteil der Belegschaft für den neuen Vertrag ist.

FaktuM: In der Pressemitteilung stand, dass über 90 Prozent der Flugbegleiter und 76 Prozent der Crew dem neuen Kollektivvertrag zugestimmt haben.

Informant: Diese Zahlen kommen ja vom Unternehmen. Wir haben untereinander eine interne Gruppe, wo wir einander schreiben, und da war es etwa 50 zu 50. Ich kann mir die 95 Prozent auch nicht erklären. Und da ist es jetzt so, dass es einige wenige gibt, die Angst davor haben, dass sie in der jetzigen Situation in Wien keinen vergleichbaren Job bekommen, und deswegen dem Vertrag zustimmen. Der Markt für Piloten ist natürlich in Wien in der derzeitigen Situation nicht besonders groß. Das sind vor allem Flugkapitäne, die halt statt 7.000 Euro nur mehr 4.500 Euro bekommen. Das ist zwar ein ordentlicher Gehaltseinbruch, aber sie können davon trotzdem noch gut leben. Bei den Flugbegleitern ist das  dagegen ein Wahnsinn. Für mich ist es auch unverständlich, dass man vor der Vida demonstriert – angeblich etwa 50 Laudamotion-Mitarbeiter (auch Kabinenpersonal) von insgesamt 380 Piloten, die zu Ryanair halten. Wenn es der AUA möglich ist, Ihre Mitarbeiter bis 2022 in Kurzarbeit zu schicken, um die Personalkosten gering zu halten, ist es für mich unverständlich, warum das für Ryanair nicht möglich ist. Es ist eben nicht klar, warum Ryanair den Kollektivvertrag unbedingt durchboxen will.

FaktuM: Was würden Sie als Kopilot bei einer anderen Airline bekommen?

Informant: Die Altverträge sind marktüblich: Das sind etwa 3.200 Euro Grundgehalt pro Monat brutto. Hinzu kommen die Flugstunden, z.B. sind das mit den 35 Flugstunden etwa 3.900 Euro brutto. Ryanair wollte ja in Wien nur die Slots haben und will jetzt mit den eigenen Boeing 737-Maschinen den heimischen Flughafen anfliegen. Die Ryanair-Piloten verdienen aber um etwa 20.000 Euro pro Jahr mehr. Sie arbeiten fünf Tage und haben dann vier Tage frei. Sie sind zwar in Österreich sozialversichert, werden aber nach irischem Recht bezahlt. Die Verträge sind einfach besser. Sie haben bessere Arbeitsbedingungen, obwohl es die gleiche Firma ist. Für mich ist das nicht erklärbar: Die Laudamotion soll Gehälter einsparen noch und noch, und jetzt wollen sie mit eigenen Flugzeugen Wien ausfliegen. Das macht keinen Sinn. Das versteht niemand.

Von Thomas Langer 

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