Unterwegs mit den eigenen „vier Wänden“

Camping ist eine spezielle Art des Reisens. Und hatte schon immer eine überzeugte, eingeschworene Fangemeinschaft. Durch Corona erlebt diese Urlaubsart jetzt einen gewaltigen Boom – und wird auch für ganz neue Kundenschichten interessant.
© Adobe Stock

Es gibt einem durchaus ein gewisses Gefühl von Freiheit und Selbstbestimmtheit – zumindest in der Theorie. Einfach drauf los fahren in seinen eigenen „vier Wänden“ und dort halten, wo die Umgebung gefällt. Nicht ohne Grund sagt man so schön: „Der Weg ist das Ziel.“ Und schlussendlich heißt es – nachdem die Reisenden abends dann doch gezwungenermaßen ein Ziel gefunden haben – Motor aus, die gemütlichen Camping-Stühle ausgeklappt, ein kühles Bierchen aus dem Kühlschrank gefischt und entspannt. Das Ganze garniert mit einem filmreifen Sonnenuntergang und dem Blick auf einen einsamen See, im Hintergrund die Waldlichtung. Und voilà, fertig ist der perfekte Camping-Urlaub à la Ed Caraeff. Vor über 50 Jahren schoss der damals 17-jährige Amerikaner ein legendäres Foto von Jimi Hendrix und seiner brennenden Gitarre am Monterey Pop Festival. Heute lebt der berühmte „Rock’n’Roll-Fotograf“, wie er sich selbst bezeichnet, in einem alten Camper und bereist Amerika. Sein Ziel: Eine Existenz fernab des Alltagsstress zu führen und noch einige Lebensjahre zu gewinnen.

Mit seinem neuen Lebensstil liegt Caraeff voll im Trend. Generell ist die Aussteiger-Community, die auf Social Media-Plattformen wie Instagram unter dem Hashtag „Vanlife“ ihre Erlebnisse mit der Welt teilt, gewachsen. Camping – egal ob im Zelt, im Camper oder im Wohnwagen – muss aber nicht immer gleich etwas mit Nonkonformismus zu tun haben. Sehr wohl aber mit Individualismus. Schon im Jungpaläolithikum, dem jüngsten Abschnitt der eurasischen Altsteinzeit, suchten Nomaden unter zwischen Gerippen oder anderen Gerüsten gespannten Häuten Schutz. Mit Beginn der Sesshaftigkeit verloren Zelte ein wenig ihre Bedeutung, behielten aber dennoch etwa im Rahmen kriegerischer Auseinandersetzungen oder im Sport ein Fünkchen Wichtigkeit. 

Außer bei Festival-Besuchern wurden Zelte im 21. Jahrhundert mittlerweile auch in der Camping- und Caravaning-Branche in den Hintergrund gedrängt. Zwei Pioniere, die für diese Entwicklung verantwortlich zeichnen, sind die Deutschen Alfons und Erwin Hymer. Der Ur-Troll, Erwin Hymers erster Wohnwagen, entstand 1957. In den Siebzigern legte der deutsche Konstrukteur und Gründer des international tätigen Wohnmobil- und Wohnwagenherstellers aber mit seinem „Hymermobil“ den Grundstein für die Serienfertigung von Reisemobilen. Soviel zum geschichtlichen Exkurs.

Imagewandel

Lange Jahre hatte der Camping-Urlaub allerdings ein schlechtes Image. Er galt als spießig, unhygienisch, billig und manchmal sogar proletenhaft. Seit einiger Zeit scheint sich aber vor allem die umweltbewusste Jugend das Nomadenleben der Ur-Völker zurückzuwünschen. Es bedeutet Freiheit, Abenteuer und individuelles Reisen – ganz gleich, ob man nur für ein paar Tage oder eher für ein paar Monate seine Sachen packt. Camping ist auf einmal wieder „cool“ – vor allem seit die Republik Österreich für über 30 Länder eine Reisewarnung ausgesprochen hat und diverse Grenzen dicht sind. 

Dass die Autarkie dieser Art des Urlaubs immer mehr Menschen anspricht, war schon in den vergangenen Sommer-Saisonen bemerkbar. „Camping hat sich bereits vor Corona einer steigenden Beliebtheit erfreut. Der Campingboom lässt sich nicht nur in Österreich anhand von Nächtigungszahlen und Zahlen aus dem Fahrzeughandel der letzten Jahre festmachen“, erklärt Thomas Mehlmauer, Präsident des Österreichischen Camping Clubs. Übernachteten laut jährlichen Erhebungen der Statistik Austria 2017 noch 6,4 Millionen Reisende auf einheimischen Campingplätzen, waren es 2019 bereits 7,1 Millionen. Der Bestand an Wohnwagen und Wohnmobilen wuchs im selben Zeitraum um 7,5 Prozent. Und schon jetzt ist eindeutig, dass diese Zahl im heurigen Sommer wohl kaum schrumpfen wird. 

Vor allem im Bereich der Reisemobile sieht Helmut Schörghuber, Geschäftsleiter der Caravaning-Vermietung Camping.holiday, ein bedeutendes Wachstum. „Unabhängigkeit und Freiheit im Urlaub, verbunden mit Abenteuer, wird von immer mehr Urlaubern bevorzugt. Corona beflügelt diesen Trend natürlich bei Menschen, die die individuellste Form des Urlaubes bislang weniger im Fokus hatten – auch bei den hartnäckigsten All inklusive-Massentouristen“, so Schörghuber.

Von Marion Pertschy

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