Stoppen wir alle gemeinsam den Hass

Abermillionen Friedliebende hüben wie drüben trifft am Krieg keine Schuld.

Wo wir vor wenigen Monaten coronamäßig noch knapp am Abgrund standen, sind wir nun zwei große Schritte weiter: Wer meinte, es könne nicht schlimmer werden, der irrte gewaltig. Denn plötzlich tobt da ein Krieg, ausgelöst durch den Hegemonie-Anspruch eines offensichtlich völlig enthemmten Diktators. Unsere Welt ist aus den Fugen geraten. Tausende Tote, Millionen Flüchtlinge. Aber auch junge russische Soldaten, die nicht wissen, wie ihnen geschieht. Und ein 155-Millionen-Volk, für das sich über Nacht aufgrund von Sanktionen und Big Brother-Attitüden alles dramatisch zum Schlechteren gewandelt hat. All dies garniert mit Hass, Wut, Verzweiflung und einer mächtigen Welle von Xenophobie, wie wir das seit anno nazimal nicht mehr erlebt haben. 

Da sich mittlerweile herumgesprochen haben dürfte, dass ich seit 12 Jahren mit einer Russin verheiratet bin, habe ich naturgemäß über den regen Kontakt mit ihrer Familie tiefe Einblicke in das, was in den Herzen und Köpfen der Russen vorgeht. Und nein – es sind nicht „die Russen“, die den Krieg begonnen haben. Da ist ein Despot mit uneingeschränkter Macht, der ein Vakuum ausgenützt hat. Als Donald Trump sein vermaledeites „America first“ hinausposaunte und Europa abschrieb, war Putin schnell klar geworden, dass sich da eine Tür sperrangelweit für ihn auftut. Unverfroren und skrupellos, wie er ist, marschierte er da frech hinein. 

Doch was bringen Analysen und Erklärungsversuche? Ich glaube, dass sich eine fatale Falle auftut, wenn man versucht, das, was da gerade passiert, zu erklären, zu begründen, nach Motiven zu suchen und möglichen Rechtfertigungen.

Das ist ein Krieg. Ein schäbiger Angriffskrieg. Und keine „Friedensmission“. Krieg ist das Letzte, das Ekelhafteste, was das Raubtier Mensch auszuhecken vermag.

Deswegen warne ich davor, zu versuchen, das, was da gerade passiert, zu analysieren oder zu begründen. Denn nichts rechtfertigt das ultimativ Böse.

Meine Frau Ekaterina und ich sind Kosmopoliten. Wir haben naturgemäß viele russische und ukrainische Freunde. Araber ebenso wie Juden. Für uns sind Hautfarbe, Herkunft oder Nationalität ebenso irrelevant wie Geschlecht oder sexuelle Orientierung, wenn es um die Bewertung anderer Menschen geht. Wir beide sind entschiedene Verfechter des Friedens. Meine Frau steht für Abermillionen Russen, die genauso denken wie sie. Und die nichts, aber auch nicht das Geringste mit dem Ausbruch dieses Krieges zu tun haben.

In Österreich leben knapp 34.000 Russen. Davon rund die Hälfte in Wien. Viele erleben jetzt xenophobische Angriffe. Natürlich geht es ihnen in Relation zu den Ermordeten und Vertriebenen in der Ukraine vergleichsweise gut. Trotzdem möchte ich hier dafür eintreten, sie nicht pauschal zu verdammen.

Sollen wir nur deshalb, weil Putin einen Krieg angezettelt hat, aufhören, Dostojewsky oder Tolstoj zu lesen? Sollen wir aufhören, Tschaikowsky, Prokofjew oder Strawinsky zu hören? Sind jetzt etwa alle Russen schlecht? Meine Frau Ekaterina ist seit Kurzem österreichische Staatsbürgerin. Doch ich wünsche mir, dass sie die gute, die kluge, die herzenswarme, friedliebende und empathische Russin bleibt. Ausgestattet mit der russischen Seele, dieser abgrundtiefen, über Generationen hinweg übertragenen Wehmut, die aus dem Leid, das diesem Volk jahrhundertelang zuteil wurde, resultiert. Ich wünsche mir, dass sie Russin bleibt. Ein Tiger, so sagt man, verliert seine Streifen nicht. Ich hoffe, Sie verstehen, dass ich nicht möchte, dass meine Tigerin ihre Streifen ablegt.

Herzlichst Ihr

Christian W. Mucha

Herausgeber

P.S.: In unserer diesmaligen Titelgeschichte beschäftigen wir uns mit den Auswirkungen des Krieges auf die Touristik. Die sind vielfältig, nachhaltig und ein erneuter gewaltiger Prüfstein für unsere – wegen Corona sowieso schon immens durchgebeutelte – Branche. Ukrainische und russische Gäste werden schmerzlich vermisst. Umgekehrt meiden Gäste aus Übersee unser Land, weil es ihnen zu nah am Kriegsgebiet liegt. Und der Weg zu Destinationen in Ostasien ist jetzt plötzlich – wenn man Russland umfliegen muss – um einiges länger. 

Viel Freude an der Lektüre dieser Ausgabe – trotz der Tristesse, die uns dieser Tage alle umfängt – wünscht Ihnen der Obige.

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