Wiener Würstelstände als Weltkulturerbe geadelt

Die Würstelstände der Gegenwart haben mit anno dazumal nur noch wenig gemeinsam.

27.11.2024 14:05
red07
© WienTourismus/Paul Bauer
Würstelstand Leo.

Die Freude über die Auszeichnung der Wiener Würstelstände als immaterielles Weltkulturerbe der UNESCO ist groß – besonders bei den Betreibern wie dem „schoafen Rene“ oder „Leo“. Und nicht zuletzt beim Wiener Stadtmarketing. Doch ein ehrlicher Blick auf die meisten Verkaufsstände zeigt, dass sich die einst ikonische Wiener Institution eher in die Reihe nostalgischer Mythen als gelebter Kultur einreiht. Die UNESCO begründet ihre Entscheidung mit der Sprache, dem Angebot und der Atmosphäre rund um die Würstelstände. Doch vieles davon ist heute nicht mehr vorhanden.

Alles wurscht

Die Geschichte der Wiener Würstelstände, die bis in die Monarchie zurückreicht, klingt traditionsreich. Charmante Kapitel aus der Vergangenheit stammen von Literaten wie HC Artmann oder Friedrich Torberg. Fahrbare Garküchen als Einkommensquelle für Veteranen, Zusammenkünfte unterschiedlicher sozialer Schichten oder der „Bitzinger“ als Treffpunkt nach der Staatsoper (so lange gibt’s den noch gar nicht, erst seit 2008) sind Teil der Erzählung voller klischeehafter Anekdoten.

Die Würstelstände der Gegenwart haben mit anno dazumal nur noch wenig gemeinsam. Die Stände, einst Symbole der Wiener Lebensart, wirken heute vielerorts generisch und schmecken auch so. Der älteste noch bestehende Stand ist übrigens der 1928 eröffnete „Würstelstand Leo“ am Döblinger Gürtel, der sich als einer der wenigen Ausnahmen und Verfechter originaler Qualität auszeichnet.

UNSESO Weltkulturerbe

Dass die Wiener Institution nun auch immaterielles Weltkulturerbe der UNESCO ist, wird sicher in dem einen oder anderen Tourist Guide erwähnt. Die UNESCO begründete dies mit dem Angebot, der Atmosphäre und dem Sprachschatz, der sich rund um die Imbissstände gebildet hat. Damit sind auch Begriffe wie die „Haaße“ (Burenwurst), das „Krokodü“ (Essig- oder Delikatessgurke) und das „Oaschpfeiferl“ (scharfer Pfefferoni) umfasst.

Das von der UNESCO so eifrig geschützte Sprachgut, scheint mehr für Touristen als für die Wiener selbst von Bedeutung zu sein. Wer bei der Bestellung mit „Eitrige“ und „Gschissene“ kokettiert, wird schnell als Google-geschulter Gast oder fake Wiener entlarvt. Die Wiener Würstelstandkultur hat sich von der authentischen Begegnung hin zur gepflegten Folklore gewandelt. Viele Stände, einst Symbole der Wiener Lebensart, wirken wie inszenierte Kulissen und könnten genauso gut als Kebab- oder Pizzaschnitten-Buden betrieben werden.

Wiener Gemütlichkeit

Die Auszeichnung der UNESCO mag dennoch eine Chance sein, die Würstelstände neu zu beleben und mehr als nur ein nostalgisches Aushängeschild zu sein. Ob sie mit dem Heurigen oder Kaffeehaus als gelebte Kultur mithalten können, bleibt fraglich. Die Bedeutungslatte hängt für alle drei Institutionen der Wiener Gemütlichkeit schon sehr tief. Die Würstelstände von heute sind mehr ein Echo vergangener Zeiten als ein lebendiges Symbol der Wiener Lebensart. Ein Weltkulturerbe daraus zu machen, wirkt wie bestellt und leicht übertrieben.

(PA/red)

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