Zündstoff zwischen der Westbahn und den ÖBB

Die neue Bahnstrecke zwischen Wien, Graz und Klagenfurt sorgt vor dem Start für medial geführte Diskussionen.

04.07.2025 14:49
Redaktion
© WESTbahn Management GmbH
WESTbahn auf Schiene

Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember wird die Koralmbahn Realität: Eine neue Verbindung durch die Alpen bringt Graz und Klagenfurt so nah zusammen wie nie. Die Reisezeit schrumpft von drei Stunden auf rund zwei. Für Bahnreisende und Tourismusregionen entlang der Strecke ein Segen – wären da nicht die Konflikte im Hintergrund.

Denn wo die einen profitieren, fühlen sich andere übergangen. Westbahn-CEO Thomas Posch sprach in einem Interview mit dem Kurier Klartext: Auf der neuen Verbindung wird seine Bahn nicht in Mödling, Baden, Kapfenberg oder Mürzzuschlag halten können. Der Grund: Entweder liegt die Strecke abseits – wie im Fall Baden und Mödling – oder die Trassen sind schlichtweg zu knapp kalkuliert.

Kampf um Trassen: „Kein Platz für uns“

Die Westbahn muss auf der sogenannten Pottendorfer Linie über Ebreichsdorf ausweichen – ein Abschnitt, der wegen des dichten Nahverkehrs bereits am Limit operiert. “Dort hat immer der Verkehr Vorrang, der eine gemeinwirtschaftliche Funktion hat”, so Posch. Und da sämtliche ÖBB-Züge (mit Ausnahme der Westbahn-Stammstrecke Wien–Salzburg) staatlich mitfinanziert sind, bleibt für die private Konkurrenz kein Spielraum für zusätzliche Halte.

Besonders bitter ist das für Städte wie Mürzzuschlag oder Kapfenberg, die eigentlich als Zubringer für Tourismusziele wie den Semmering fungieren. Auch Baden, mit seiner Thermenlandschaft, oder Mödling, als wichtiger Knotenpunkt im Süden Wiens, bleiben auf der Strecke.

Die ÖBB kontern 

Die Antwort der ÖBB fällt deutlich aus: Man halte sich „diskriminierungsfrei und gesetzeskonform“ an alle Vorschriften zur Trassenvergabe, heißt es auf APA-Anfrage. Der Wunsch nach Halten sei nachvollziehbar, aber nicht immer umsetzbar – schon gar nicht in einem Netz, das an einem Werktag zwischen Wien-Meidling und Mödling bis zu 554 Reisezüge verkraften muss.

Zudem verweist die ÖBB auf die unabhängige SchienenControl-Kommission als übergeordnete Kontrollinstanz. Individuelle Wünsche einzelner Anbieter könnten nie auf Kosten des Gesamtsystems umgesetzt werden.

Touristische Perspektive

Für Touristiker in Kärnten und der Südsteiermark ist der Fahrplanwechsel dennoch ein großer Gewinn. Orte wie Pörtschach und Kühnsdorf profitieren künftig von Westbahn-Halten – was vor allem dem Wörthersee-Tourismus neue Gästeschichten bringen dürfte. Dass gleichzeitig zentrale Bahnknoten im Osten nicht bedient werden, zeigt jedoch, wie ungleich die neue Trassenvergabe wirken kann.

Gerade in der Nebensaison oder für individuelle Reisende können fehlende Direktverbindungen ein echter Standortnachteil sein – auch wenn dieser eher technisch als politisch begründet ist.

Infrastruktur als Machtfrage

Die neue Südstrecke verspricht Tempo, Komfort und wirtschaftliche Chancen – doch sie bringt auch alte Rivalitäten aufs Gleis zurück. Der Streit zwischen Westbahn und ÖBB offenbart, wie eng getaktet und konfliktanfällig das Schienennetz mittlerweile ist.

(APA/red)

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