Das freche Geschäft der Mini-Mozarts

Was nach großer Oper klingt, endet nicht selten in einem kleinem Konzertsaal – ein Spiel mit Erwartungen, das viele Touristen erst dann durchschauen, wenn's zu spät ist.

24.04.2025 16:17
red04
© MG MedienGruppe
Die Ticketkeiler vor der Wiener Staatsoper

Wien ist weltberühmt für seine klassische Musik: Mozart, Beethoven, Strauss, Schubert, Haydn und wie sie alle heißen. Nirgendwo lässt sich das besser vermarkten (und ausschlachten) als vor der Wiener Staatsoper. Dort, wo Touristen aus aller Welt ehrfürchtig ihre Smartphones zücken, warten sie bereits. In auffälliger Kostümierung, oft mit weißer Perücke – meist fesch und adrett – die Ticketverkäufer oder der treffender gesagt: die Tickethaie. Wer als angesprochener Tourist glaubt, spontan ein Ticket für einen hochkarätigen Opernabend zu ergattern, wird eines Besseren belehrt. Doch leider oft erst nach dem Straßendeal in Wiens bester Innenstadtlage. Verkauft wird vieles, doch nur selten eine reguläres Ticket für die Staatsoper.

Preisunterschiede als Köder

Die Verkäufer geben sich zuvorkommend, sind multilingual und top informiert. Sie betonen ihre „offizielle Genehmigung“, als ob das den Verkaufsmodus aufwerten würde. Es sei ihnen erlaubt, an genau definierten Orten rund um die Oper zu stehen. Doch es stellt sich die Frage, warum Tickets zu den diversen Veranstaltungen auf diese Art gekauft werden sollen und nicht auf transparente Weise direkt in den Ticketbüros oder online. Die Antwort ist einfach und leicht durchschaubar: Die Tickets bei den Verkäufern vor der Wiener Staatsoper (und anderen Sehenswürdigkeiten, wie am Stephansplatz) sind günstiger. Bei einem Gespräch auf der Straße bekommt man dieselbe Kategorie, für welche online 49 Euro verlangt wird, schon um 39 Euro. Eine Ersparnis, die für viele spontan überzeugend wirkt. Jedoch sparen die Touristen nicht bei allen gekauften Karten, sondern nur bei jenen, welche für Veranstaltungen außerhalb der Wiener Staatsoper angeboten werden. Bieten die Ticketverkäufer tatsächlich Karten für die Staatsoper an, so handelt es sich meist um überteuerte, völlig überzogene Plätze, die von ihnen nur weiterverkauft werden. Sogenannte Hörplätze mit Sichtbehinderung, welche auf offiziellem Wege um 15 Euro angeboten werden, können bei den Mini-Mozarts bis zu 100 Euro erworben kosten. So wird das Vertrauen in Wiens Kulturangebote nachhaltig verspielt.

Leben als Ticketkeiler

Und wie lebt es sich als Kartenverkäufer im Epizentrum des Wiener Kulturbetriebs? Durchwachsen. Die Arbeit ist oft weniger glamourös, als die Umgebung vermuten lässt. Die Gehälter unterscheiden sich je nach Anbieter und Einzelunternehmer. Ein Mitarbeiter berichtet von einem Monatsgehalt von 1.000 Euro für 20 Stunden pro Woche und 1.600 Euro für 30 Stunden. Ein anderer verdient angeblich 1.600 Euro bei 40 Stunden – in beiden Fällen ohne Provision, dafür mit gelegentlichen „Bonuskarten“. Warum so viele Leute wie möglich belästigt werden, wenn das Gehalt nicht von den verkauften Tickets abhängig ist, wissen nicht einmal die Verkäufer selbst. Deren Hingabe ist bemerkenswert, wenn man beachtet, dass viele von ihnen nebenher noch einen weiteren Job haben (müssen), da der Ticketverkauf auf der Straße allein laut eigenen Angaben oft nicht zum Überleben ausreicht.

Grauzone des Erwartungsmanagements

Obwohl die Verkäufer betonen, dass es sich um Veranstaltungen in anderen Locations handelt, bleibt ein schmaler Grat zwischen Information und Täuschung. Besonders angesichts der Sprachbarriere entsteht die Problematik der „falschen“ Opernkarten. Anstatt einer Vorstellung von Richard Wagners „Parsifal“ in der Wiener Staatsoper sehen die Kartenbesitzer im Endeffekt nämlich beispielsweise diverse Mozart, Strauss, Vivaldi und Beethoven Konzerte. Ein unangenehmer Nachgeschmack bleibt für die Touristen so zurück: Die Ticketverkäufer vor der Staatsoper sind inzwischen genauso Teil des Wiener Stadtbildes geworden wie erbärmliche Elektro-Fiaker oder Sisi-Schneekugeln. Nur dass hier keine harmlosen Souvenirs verkauft werden, sondern das Versprechen von Kultur – mit zweifelhaftem, oft irreführendem Inhalt. Mit ihrer Verkaufsmasche irgendwo zwischen Dienstleistung, Schauspiel und Geschäftemacherei versuchen die Beteiligten wohl den Geist der Oper selbst beizubehalten. Nur eben ein paar Häuser weiter als erwartet. Solange die Stadt Wien zu dieser Grauzone keine klarere Haltung einnimmt, bleibt das, was sich vor der Staatsoper abspielt, ein Beispiel dafür, wie schnell Kultur zur bloßen Bühne für Verkaufsschmähs werden kann.

(red)

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