„Die Reisebüros bleiben offen“ – Satire

Wie man eine ganze Branche ohne Lobby kalt stellt.

Lockdown Nummer zwei also. Und während bei Humanic die 50-Prozent-Rabatt-Haie sich die ermäßigten Opernball-High Heels, die Moon Boots für’s Après-Ski und die Lackschuhe für den Philharmoniker-Ball abholen, machen Herr und Frau Österreicher das, was sie am besten können: Mit höchster „Ambition“ nachfragen, recherchieren und spitzkriegen, mit welchen Ausnahmeregelungen sich die Ausgangsbeschränkungen unauffällig umgehen lassen. 

Die Grundeinstellung dazu begleitet uns schon seit dem lieben Augustin, der noch beim Stolpern in die Massengräber der Pestilenz das berühmte Wienerlied „Des derwischt nur die ondern – i krieag des nie“ schwer besäuselt zum Besten gab… 

Was in den Politikergehirnen vor sich gegangen ist, als man ernsthaft just die Reisebüros offengelassen hat, versuche ich in dem nun folgenden Couplé nachzuvollziehen.

Ein vier Meter achtzig hohes Besprechungszimmer in der Belle Etage eines Ministeriums. In den Wandnischen maria-theresianische Preziosen. An den Wänden historische Gemälde. Die im barocken Stil gehaltene Plastik-Sitzgarnitur ist wackelig. Die Bezüge sind leicht verschlissen. Zwei Fenster (undicht, die Farbe abgeblättert) stehen offen. Drei Ministerialbeamte höchsten Ranges sitzen beisammen. Sektionschef Dieter Schmutz, Ministerialrätin Birgit Bleich und der Wirkliche Hofrat Gregor Grind im Gespräch.

Grind: I siach schon, des schoff ma net.

Bleich: Unter keinen Umständen geht sich des aus. Der Kabinettchef hot gsogt, mir miassen streichen.

Schmutz: Und der Minister hot gsogt, wiar miassen dreimal übereinand Decken streichen…

Grind: Vielleicht könnt‘ ma die Werbung für die Medien streichen?

Bleich: Bist wo angrennt? Wenn do wos gstrichen oder gekürzt wird, dann schreiben die unsere Regierung nieder!

Schmutz: Wos mir wurscht is, i hob schon den sechsten Minister in meiner Amtszeit überlebt.

Grind: Du vielleicht – i net. Du weißt, i komm von die Grünen. Und bei uns versinkst so schnell in der Versenkung, des konnst da goar net vurstellen. Schau da die Hebein an.

Bleich: Jo, di hams ausgehebeint, ha, ha, ha!

Sie bekommt einen Hustenanfall. Die beiden anderen rücken blitzartig von ihr ab. Schmutz reißt beide Fenster komplett auf.

Grind: I hob do a Idee.

Bleich: Welche?

Grind: No, wenn ma a Branche, die fast allen völlig Powidl ist, offenlassen, obwohl die in Wirklichkeit nix tun können und a nix verkaufen können – dann können die kane Unterstützungsforderung stellen!

Schmutz: Des is genial! Und wir brauchen uns kane Vorwürfe machen. Weil die können ihr Geschäft ja offiziell weiter betreiben – hähä (lacht schmutzig).

Bleich: Aber des ist ja völlig unlogisch. Do könnt ma jo gleich in den Monaten Dezember, Jänner und Februar alle Eissalons zwangsöffnen lassen.

Schmutz: Super Idee! Woart, des muss i ma aufschreiben. Des moch ma!

Bleich: Oder den Schleppliften, Seilbahnen und Skischaukelbetreibern als Ersatz für den Winterausfall anbieten, stattdessen in den Monaten Mai, Juni, Juli und August aufzusperren! 

Schmutz: Hearst, du sprühst jo nur so vor Ideen. Des muass i ma aufschreiben!

Bleich: Oiso, wos moch ma jetz?

Grind: Die Reisebüros bleib’n offen!

Bleich: Aber die können im Moment do goar nix verkaufen. Und kana bucht wos, wenn er danach zehn Tage in Quarantäne muss.

Grind: Geh bitte – Dubai und die Malediven san ausgebucht.

Bleich: Deswegen können’s Dubai ja jetzt net anbieten. Freilich, sie könnten jetzt Dubai im Juli 2021 verkaufen.

Grind: Foahrst du im Juli bei 40 Grad im Schatten nach Dubai?

Schmutz: Geh bitte – des is ja net die Frage. Hier geht‘s nur um schlüssige Argumentation!

Grind: Na guat, dann is es fix. Die Reisebüros follen net unter den Lockdown. Die sollen gfälligst weiterhackeln. Und damit hams kan Anspruch. Auf nix.

Alle drei fallen sich um den Hals. Schrecken aber wieder zurück, als Birgit Bleich einen erneuten Hustenanfall bekommt.

Hat es sich so abgespielt? Nun, ich war nicht dabei. Ich befürchte nur – es war noch schlimmer.

Ihr

Christian W. Mucha

Herausgeber

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