Die Strippenzieher hinter den „Mini -Mozarts“
Die „Mozart-Verkäufer“ sind nur das sichtbare Element eines Systems, in dem die Anbieter von fragwürdigen Verkaufsmaschen profitieren.

Während sich die Bewohner Wiens über die „Mini-Mozarts“ ärgern, welche aufdringlich versuchen, Karten zu kleinen Aufführungen zu verkaufen, handelt es sich hierbei jedoch meist nur um Mitarbeiter, welche den geringen Lohn zum Überleben benötigen. Die Anbieter, die diese Verkäufer aussenden, machen sich ihre Finger nicht beim Außendienst schmutzig. Die Veranstalter hinter dem „Wiener Mozart Orchester“, dem „Wiener Kaiser Orchester“, dem „Wiener Barock Orchester“ und wie sie alle heißen profitieren zwar von der fragwürdigen Verkaufsmasche – die Missgunst der Passanten trifft sie allerdings eher nicht.
Große Namen, kleine Bühnen
Die diversen Konzertveranstalter vermarkten klassische Konzerte an touristisch stark frequentierten Plätzen. Klangvolle Namen wie „Mozart“, „Wiener Kaiser“ oder „Barock“ wecken Erwartungen, die mit den tatsächlichen Konzertformaten nicht immer übereinstimmen. Statt in den ehrwürdigen Hallen weltberühmter Institutionen landen viele Konzertbesucher in kleineren, oft weniger bekannten Veranstaltungsorten wie dem Kursalon oder historischen Palais, die zwar charmant, aber weit von den großen Klassikbühnen entfernt sind. Nicht wenige Touristen berichten im Nachhinein von enttäuschenden Erlebnissen. Anstatt eines wirklichen Orchesters findet man manchmal nicht mehr als ein Quartett vor. Die Diskrepanz zwischen den beworbenen Erwartungen und der tatsächlichen Aufführung führt nicht nur zu Frustration, sondern stellt auch eine gewisse Täuschung dar, die das Vertrauen in diese touristischen Angebote langfristig beeinträchtigen könnte.
Großes Veranstalterpool
Eine gesetzliche Regelung für die „Mini-Mozarts“ gibt es, basierend auf dem Gebrauchsabgabegesetz (GAG), erst seit 2019. Doch auch nach dem Einführen dieser Novelle und dem Erlauben von sechs Verkäufern innerhalb einer Verkaufszone kommt es weiterhin zu zahlreichen Verstößen. Das Wiener Veranstaltungsgesetz (§14 Wr. VG) regelt, was von den Mozart-Verkäufern mitgeführt werden darf – und was nicht. Ein prominentes Beispiel für Missachtung dieser Regeln: der unerlaubte Einsatz von Rollwägen. Die Ticketkeiler bringen allerdings natürlich weder Perücken noch Rollwägen, mit welchen sie ihr Infomaterial tranportieren, von zu Hause mit – diese werden von den diversen Anbietern zur Verfügung gestellt. Doch wer sind diese Anbieter? Teilweise hängen die Orchester und Veranstalter schon namentlich eng zusammen, wie das Wiener Mozart Orchester und die Wiener Mozart Orchester Konzertveranstaltungs GmbH. Oft ist es jedoch nicht so offensichtlich, welcher Anbieter hinter den Orchestern steckt. Ist man momentan vor der Wiener Staatsoper unterwegs, trifft man beispielsweise auf Mini-Mozarts, die von Veranstaltern wie der B & C Konzertveranstaltungs GmbH (zuständig für das Wiener Barock Orchester und unter der Leitung von Geschäftsführer Bashkim Hyseni), der Classics & Partners Veranstaltungs GmbH (zuständig für das Wiener Kaiser Orchester und unter der Leitung von Geschäftsführer Liridon Cunaku) oder der Premium Classic Veranstaltungs GmbH (zuständig für das Premium Orchester Wien und unter der Leitung von Geschäftsführer Xhevat Sefa) angestellt wurden. Es lässt sich dabei erkennen, dass die zunehmende Kritik an den Mozart-Verkäufern durchaus mit der zunehmenden Anzahl an Anbietern zusammenhängen könnte. Während die Wiener Mozart Orchester Konzertveranstaltungs GmbH (derzeit unter der Leitung von Geschäftsführer Philipp Grünbacher) bereits seit 1993 besteht, wurden die weiteren genannten Veranstaltungsfirmen erst innerhalb der letzten zehn Jahre gegründet.
Anbieter in der Verantwortung
Während sich die Verkäufer auf ihre „offizielle Genehmigung“ berufen, wird oft verschwiegen, dass diese ausschließlich unter Einhaltung klarer Spielregeln gilt – etwa: keine Belästigung von Passanten, keine großen Verkäufergruppen und das Einhalten der Verkaufszonen. Dass einige Veranstalter, unter welchen die Mozart-Verkäufer arbeiten, dennoch regelmäßig dagegen verstoßen, lässt den Schluss zu, dass wirtschaftliche Interessen über ordnungspolitische Vernunft gestellt werden. Kritiker werfen den Anbietern vor, sich durch bewusstes Ausreizen der Grauzonen einen Vorteil im hart umkämpften Kulturmarkt Wiens zu verschaffen. Der Verkauf findet häufig in der Nähe hochkarätiger Spielstätten wie der Wiener Staatsoper statt, obwohl die Veranstaltungen, für die geworben wird, gar nicht dort stattfinden. Eine Marketingmasche mit hoher Verwechslungsgefahr. Auch untereinander sind die Anbieter nicht mit allen Vorgehensweisen zufrieden und beschuldigen sich teilweise gegenseitig, sich ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteilen zu bedienen.
Gewinn für die Veranstalter
Die kostümierten Verkäufer, die täglich auf Wiens Straßen um die Gunst der Touristen buhlen, müssen am Ende des Tages ihre aufwendigen Gewänder wieder abgeben – ein Symbol für die Vergänglichkeit ihrer Rolle in diesem weitgehend unregulierten Markt. Der Glanz des historisierten „Mozarts“ mag mit dem Kauf des Tickets verblassen, während der wahre wirtschaftliche Vorteil weiterhin bei den Anbietern der Tickets – den Orchestern und deren Vermarktern – bleibt. Diese Anbieter spielen eine zentrale Rolle im gesamten Prozess: Sie sind nicht nur für die Organisation der Veranstaltungen verantwortlich, sondern steuern auch die Verkaufsmaschen, die das Bild einer exklusiven kulturellen Erfahrung vermitteln sollen. Die Mini-Mozarts, die täglich als Verkäufer auf Wiens Straßen unterwegs sind, arbeiten für diese Orchester und sind oft das erste und einzige sichtbare Element dieses Systems für die Touristen. Ihre Aufgabe als Verkaufsförderer mag zwar am Ticketkauf enden, aber die Verantwortung der Orchester geht weit über diesen Moment hinaus. Diese übernehmen jedoch häufig keinerlei Verantwortung für die Enttäuschungen der Touristen, die nach der eigentlichen Veranstaltung die Kluft zwischen den beworbenen Erwartungen und der Realität bemerken. Sie profitieren von der Verwirrung und dem Vertrauen, ohne sich ernsthaft um die langfristige Zufriedenheit der Besucher zu kümmern. Und den Unmut bekommen sowieso nur die Verkäufer selbst ab.