Die Stunde der Wahrheit

Wenn’s eng wird, zeigen die Menschen ihren wahren Charakter.
© Privat

Ich habe jene Stellen in der Bibel, wo es um das Thema „Prüfung“ geht, als ganz besonders spannend empfunden. Jesus muss 40 Tage in die Wüste. Dort fastet er. Interessant ist, dass in der einen Auslegung Gott Jesus prüft, in den meisten anderen freilich der Teufel.

Nun ist mir nicht klar, wer die „Fastenzeit“, die wir gerade orientierungslos durchwandern, erfunden hat: Ob das göttlicher Wille oder die Herausforderung durch den Teufel ist. In jedem Fall handelt es sich dabei um eine schwere Prüfung. 

Ich glaube, dass die Charaktere von Menschen daran schnell erkennbar sind, wie sie mit Prüfungen umgehen. 

Lassen Sie mich also einen Schlenker von der Bibel über die „Prüfung“ nach Ischgl, Klagenfurt und St. Wolfgang machen: Wie man in Ischgl und im Heiligen Land Tirol auf Corona in der Startphase reagiert hat, ist mittlerweile bekannt. Unsere einschlägigen Artikel haben ordentlich viel Staub aufgewirbelt. Besonders die Chronique douloureuse, wie einige wenige, die den Hals nicht vollkriegen konnten, sich – ohne Rücksicht auf Kollateralschäden – in Dagobert-Manier an ihre Profite geklammert haben, war schon einigermaßen erstaunlich. Das Tröstliche daran: Die Mehrzahl der Touristiker, Hoteliers, Gastronomen und Reise-Verantwortlichen, mit denen wir in Tirol gesprochen haben – und da waren auch eine Reihe von Politikern dabei –, waren schwer enttäuscht von ihren erbärmlichen Kollegen, den „Geldsäcken“. Haben – kraft ihres traditionellen touristischen Wissens – verstanden, dass hier schneller Profit auf Kosten von langfristig aufgebautem Image gemacht wurde. 

Ich habe es für völlig überzogen gehalten, dass Typen wie Günther Aloys mich beschimpft haben. Ein Tiroler Spitzenpolitiker brachte es auf den Punkt, als er im Interview mit mir die Übeltäter als „Kotzbrocken“ bezeichnete. Und auf meine Frage, ob ich ihn dabei mit Namen zitieren dürfe, meinte er in breitem Tirolerisch: „Na sicherlich net… Weil dann bin ich als Verräter im Land Tirol abgestempelt. Und dann ist meine Karriere schlagartig zu Ende…“ 

Amüsant – der Österreichische Presserat nahm unsere Titelgeschichte zum Anlass, uns vor den Senat zu zitieren. Und Verurteilung anzudrohen. Irgendwann haben die Herrschaften dann begriffen, dass wir nichts anderes gemacht haben, als angstfrei die Wahrheit zu schreiben. Beim Presserat haben sie dann eingelenkt und uns freigesprochen. Alles andere wäre auch extrem skurril gewesen. 

Als skurril empfand ich es auch, als der Kärntner Landesrat für Tourismus über die Kärntner Tourismus-Nobelmeile den schrägen Satz absonderte: „Velden darf nicht Ischgl werden.“ Wer so argumentiert, der gehört mit Schimpf und Schande aus seinem Job weggejagt. 

Gut gemacht hat es schlussendlich Oberösterreich: Wie die Verantwortlichen in St. Wolfgang mit den Clustern umgegangen sind, wie dort informiert wurde, wie dort Öffentlichkeitsarbeit betrieben wurde, ist vorbildlich, wenn man einmal von ein paar kleinen Ausreißern absieht: Der Schaden wurden begrenzt, das Richtige gemacht. Und das einzig Richtige in so einer Situation ist (das weiß jeder, der sich mit Krisenmanagement auskennt): Man muss Fehler eingestehen, Fehler öffentlich zugeben, sich mit den Worten „mea maxima culpa“ auf die Brust klopfen, die Geschädigten abfinden, das Fehlverhalten durch fairen und menschlichen Ersatz ausgleichen, sich zu den eigenen Verfehlungen bekennen.

Und der nächste Schritt hätte dann geheißen: „Wir machen es besser.“ Mit konkreten Maßnahmen, wie das künftig zu verhindern wäre, mit einem Kodex für anständiges Verhalten in solchen Zeiten, mit einem Bekenntnis zur Transparenz, zur Einhaltung der Regeln, zu offener und fairer Kommunikation. Meine Vorschläge wurden rigide abgelehnt. Mit dem Motto (und viel blöder kann man es nicht angehen) von Günther Aloys: „Ischgl hat ja Corona nicht erfunden.“

Da hat sich die Riege unserer Geschäftspartner, Lieferanten und Kunden wie das Rote Meer geteilt. Auf der linken Seite jene, die nach über 40 Jahren uns weiterhin die Treue gehalten haben, obwohl es ihnen selber schlecht ging, die sich bemüht haben, Budgets zu erhalten, weiterhin mit uns zusammenzuarbeiten, obwohl sie es selber nicht leicht hatten. Auf der anderen Seite jene, für die Partnerschaft plötzlich nichts mehr gilt, denen das eigene Hemd näher als der Rock ist, die dich niederschreien, beschimpfen, aus dem Geschäft drängen wollen, abschasseln und ihre eigene Nervosität in Aggression und Verbalattacken ummünzen.

Seien Sie stark. Halten Sie durch. Lassen Sie sich nicht unterkriegen. Und vor allem – lassen Sie sich nicht von denen, die Ihnen blöd kommen, entmutigen. Das wünscht Ihnen Ihr

Christian W. Mucha

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