Dreiste Preis-Treiberei

Wenn die Gier die Vernunft besiegt, dann kostet das Gäste.
©privat

Warum sollte die Reisebranche anders ticken als Banken, Versicherungen oder andere Dienstleister? Da gibt’s die „Guten“, die „Couragierten“, die „Marktorientierten“, die „Kundenfreundlichen“. Und da tummeln sich freilich auch die „Unverschämten“, die „Abgehobenen“ und die „Arroganten“. Und dann gibt’s jene, mit denen einfach nicht gut Kirschen essen ist. 

Die erkennt man, wenn man – so wie meine Frau und ich – viel auf Achse ist, viel herumkommt, mit vielen Entscheidungsträgern sprechen darf. Und all dies durchschaut man, wenn man sich vor Ort  schlau macht.

Lassen Sie mich mit dem guten Beispiel beginnen, zumindest aus unserer Sicht. Natürlich war das ein tiefes Tal, das die ganze Branche durchwandert hat. Und mit ihr die Reisefachzeitschriften.

Da kannst du als Verleger nicht erwarten, dass deine jahrzehntelangen Kunden, wenn die ganze Welt eingesperrt ist, die Werbeaufträge weiterlaufen lassen. Wenn der Airport dichtmacht, wenn FTI kaum mehr Angebote parat hat, wenn die TUI sich schwertut, dann gibt es nur eines: Verständnis aufbringen für die Situation der Kunden, zurückstehen, die Zähne zusammenbeißen und durchtauchen.

Dass freilich Firmen wie Kneissl Touristik (um die zu nennen, die mir als Allererstes positiv auffallen) uns auch in der schwierigen Zeit weiter unterstützt haben, dass FTI (um das zweite Beispiel zu nennen, das mir spontan einfällt) das, was wir in der Pandemie verloren haben, uns nachträglich wieder hat zukommen lassen, und wenn Unternehmen wie der Airport oder die TUI jetzt wieder gehörig Gas geben bei uns, dann freut uns das sehr. 

Weniger freut es uns, wenn Unternehmen wie etwa Austrian Airlines die Pandemie zum Anlass genommen haben, Fachwerbung neuerdings komplett abzuwürgen. Einfach so. Aber vielleicht haben die ja solche Personal-, Buchungs-, Kompetenz- und Image-Probleme, dass sie glauben, sowieso keine Fachzeitschriften mehr zu benötigen. Unseren Lesern, den Veranstaltern und Büros haben sie ja schon seit Längerem deutlich zu verstehen gegeben, wie „wertvoll“ die für sie sind…

In den letzten Jahren haben Ekaterina und ich mehrfach die Malediven aufgesucht. Dort etliche Inseln besucht, diverse Betriebe unter die Lupe genommen und uns vor Ort ein Bild gemacht. Nun gab es bekanntlich nicht besonders viele Staaten, die während der Pandemie sich mit einem aktuellen PCR-Test begnügt haben und auf Impf-Nachweise verzichtet haben. Keine Angst – ich werde dieses heiße Thema, das dieser Tage erneut (freilich unter geänderten Vorzeichen) zum Polit-Aufreger geworden ist, nicht noch einmal aufwärmen. Freilich waren für uns die Malediven deshalb so praktisch, weil meine Schwiegermutter Russin ist und wir sie dort zu Lockdown-Zeiten treffen konnten (sie kam von St. Petersburg über Moskau auf die Malediven) und Ekaterina damit die heißgeliebte Mama nach langer Wartezeit wieder in die Arme schließen konnte. Natürlich haben die Malediven davon gewaltig profitiert. Ebenso wie etwa die Vereinigten Arabischen Emirate (insbesondere Dubai) oder Ägypten. Dort kam man auch ohne Impfzertifikat rein.

Was sich freilich auf den Malediven in den Folgejahren abgespielt hat, ist eigentlich unglaublich. Die haben ihre Preise – und dies linear und in einer Vielzahl der Betriebe – in den letzten drei Jahren teils vervielfacht (!!!). Wer – für eine komfortable Villa mit einem Pool – vor drei Jahren (damals für sieben Wochen) noch 27.000 Euro bezahlt hat (eh schon genug), berappt nun für drei Wochen mehr als das Doppelte, sprich das Vierfache des ursprünglichen Preises in vergleichbaren Resorts.

Lustig wird die Story dann, wenn die Gäste sich untereinander austauschen. Wenn wir – mit einem Rabatt von 40 Prozent als Zeitungsverleger – 45.000 Euro zahlen. Der Kanadier neben uns für das gleiche Angebot 84.000 Euro bezahlt. Und ein Österreicher wenige Häuser weiter für eine Villa mit einem Zimmer weniger 5.900 Euro in der Woche bezahlt (inklusive Flug). Wenn ein Nachtmahl in einem der Insel-Restaurants mit einer Flasche Wein ohne besonders viel Trara für 960,- Euro daherkommt (siehe Faksimile), dann fragst du dich: Sitze ich hier im Plaza Athénée mit Blick auf den Eiffelturm in Paris. Oder wo bin ich da gelandet? Angesichts dieser unverschämten Preistreiberei, des völligen Missverständnisses, wie Preistreue funktioniert, und der Arroganz, zu glauben, dass die buchenden Gäste so deppert sind, nicht miteinander ihre Tarife auszutauschen, stellen sich einem alle Nackenhaare auf. Wir haben eine ganz einfache Entscheidung getroffen: Das war’s mit den Malediven. Wir waren dort heuer das dritte Mal. Und das letzte Mal.

Interessant wird’s auch, wenn man mit einem hochrangigen Repräsentanten von Ägypten über das, was jetzt für den – in den letzten Jahren einigermaßen gebeutelten – Staat am Nil notwendig wäre. Wer auf der Wiener Ferienmesse dort ein offenes Gespräch sucht, der erntet massive Kontra-Attacken. Ich leite mein Gespräch sehr höflich mit den Worten ein: „Ich finde das toll, dass Sie jetzt verstärkt die Kulturkarte spielen. Jüngst tolle Berichte darüber, dass eine neue kleine Sphinx entdeckt wurde. Das lieben die Menschen. Das erfreut sich höchsten Interesses. Das richtige Marketing.“ Als ich jedoch weiterspreche und auf Terrorprobleme, Haifisch-Attacken, das Thema Sicherheit und das Verhältnis zur Weltpresse zu sprechen komme, habe ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Da wird aus einem freundlichen Gastgeber plötzlich einer, der seine blanken Zähne bleckt. Ob ich mir die Zahlen von Ägypten nicht angeschaut hätte? Wann es dort denn jemals in den letzten Jahren Terrorismus gegeben hätte? Was meine Argumente denn sollten. Ob ich für die Reisebranche wäre oder dagegen. Für Ägypten oder gegen Ägypten? 

Das sind die Momente, wo du zu lächeln beginnst, freundliche arabische Worte aus deinem Sprachschatz kramst, dich höflich verneigst und das Weite suchst. Selbsterkenntnis wäre ein Weg, das eigene Marketing zu verbessern. Manche haben’s. Andere nicht.

Herzlichst Ihr

Christian W. Mucha

Herausgeber

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