Fremdverschulden auf der Skipiste höher als gedacht

Ein Kniespezialist und der Leiter der KFV-Rechtsabteilung analysieren die Risiken auf Österreichs Skipisten.

18.02.2025 12:32
Redaktion
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Jährlich ereignen sich in Österreich Tausende Skiunfälle.

Wintersport zählt für viele Menschen zu den schönsten Freizeitaktivitäten, birgt jedoch auch erhebliche Risiken. Jährlich werden in Österreich rund 25.000 Skiunfälle registriert, die eine Behandlung im Krankenhaus erfordern. Am häufigsten betroffen sind das Knie- und das Schultergelenk. Doch welche Faktoren begünstigen Unfälle, und wie kann man sich am besten davor schützen? Zwei Experten, Dr. Sandor Topay, Kniespezialist und Gelenksfacharzt mit Ordination in Kitzbühel, sowie Dr. Armin Kaltenegger, Leiter der Rechtsabteilung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV), geben Einblick.

Unfallursachen auf der Skipiste

Laut Dr. Topay sind rund 80 % der Skiunfälle auf Eigenverschulden zurückzuführen. Besonders mangelnde Erfahrung, eine Überschätzung des eigenen Könnens und fehlende körperliche Fitness spielen eine entscheidende Rolle. Auch die Wahl der Ausrüstung kann zu Problemen führen: „Carving-Ski mit zu starker Taillierung und aggressiven Kanten können sowohl Anfänger als auch fortgeschrittene Skifahrer überfordern.“ Besonders riskant sind die ersten zwei Stunden auf der Piste, die Phase nach der Mittagspause sowie die letzte Abfahrt des Tages.

Ein weiteres Problem ist die steigende Dichte auf den Pisten. Enger werdende Strecken führen zu häufigeren Kollisionen, die oft schwerwiegende Verletzungen nach sich ziehen. Laut Dr. Topay steigt der Anteil der Unfälle durch Fremdverschulden kontinuierlich. Laut allgemeiner Statistik sind circa 20 % der Unfälle durch Fremdverschulden verursacht, jedoch liegt die Dunkelziffer wahrscheinlich höher. Bei den von Dr. Topay behandelten Patienten geben etwa 50 % an, durch Fremdverschulden zu Sturz gekommen zu sein. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass dies auf subjektiven Angaben der Patienten beruht und nicht mit offiziellen Unfallstatistiken gleichgesetzt werden kann.

Einsatzkräfte wurden zu einem Skiunfall gerufen.
Einsatzkräfte bei einem verunfallten Skifahrer. | © Adobe

Die frühere direkte Anwesenheit der Polizei bei Skiunfällen erklärt er damit, dass es damals weniger Fälle gab und die Polizei mehr Ressourcen hatte, um Verletzte direkt zu befragen. Heute dient oft die von der Ordination ausgestellte Unfallanzeige als einzige offizielle Dokumentation.

Alkohol als unterschätztes Risiko

Neben Überschätzung und Unachtsamkeit spielt Alkohol eine nicht zu unterschätzende Rolle auf der Piste. Laut einer KFV-Studie sind pro Wintersaison etwa 200.000 Personen in Österreich unter Alkoholeinfluss auf Skiern unterwegs. Dr. Kaltenegger warnt: „Alkohol beeinträchtigt die motorischen Fähigkeiten und das Sichtfeld, was auf einer Piste, wo sich Skifahrer aus verschiedenen Richtungen bewegen, besonders gefährlich ist.“

Der Einfluss von Alkohol ist vergleichbar mit der Wirkung im Straßenverkehr. Während Alkohol das Unfallrisiko für Einzelpersonen signifikant erhöht, fehlen belastbare Zahlen darüber, wie häufig Alkoholkonsum bei fremdverschuldeten Unfällen eine Rolle spielt. Dennoch stellt er eine zusätzliche Gefahrenquelle auf den Skipisten dar. Die Reaktionsgeschwindigkeit sinkt, das Gleichgewicht wird instabil und das Risiko für Alleinunfälle steigt drastisch. Zudem erschwert Alkoholkonsum im Falle eines Unfalls eine juristische Aufarbeitung: „Im Zivilprozess ist es deutlich schwieriger, seine Unschuld zu beweisen, wenn man alkoholisiert war.“

Dr. Armin Kaltenegger, Leiter der Rechtsabteilung im KFV.
Dr. Armin Kaltenegger, Leiter der Rechtsabteilung im KFV. | © KFV/APA Fotoservice/Schedl

Haftungsfragen: Wer zahlt im Ernstfall?

Sollte es zu einem Unfall mit Personenschaden kommen, stellt sich die Frage nach der Haftung. Laut Dr. Kaltenegger gilt: Wer einen Unfall schuldhaft verursacht, haftet zivilrechtlich für Schmerzensgeld, Sachschäden und gegebenenfalls Verdienstausfall des Geschädigten.

Doch nicht jeder Skifahrer ist automatisch versichert. Experten empfehlen dringend, die eigene Versicherungspolice zu überprüfen, da viele Haushaltsversicherungen eine Haftpflichtkomponente für Freizeitunfälle enthalten. Zudem ist zu beachten, dass Pistenbetreiber in der Regel nicht für Unfälle haften. Während im Straßenverkehr eine Kfz-Haftpflicht vorgeschrieben ist, benötigt man beim Skifahren eine private Haftpflichtversicherung, die oft in der Haushaltsversicherung enthalten ist. Ein weiteres Problem ist die hohe Zahl an Fahrerflüchten: Viele Unfallverursacher verlassen die Unfallstelle, um juristischen Konsequenzen zu entgehen. Laut Dr. Topay kommt es in rund 90 % der von ihm behandelten Fremdverschuldungsfälle zur Fahrerflucht. Offizielle Zahlen hierzu sind jedoch schwer zu erfassen, da nicht jeder Vorfall gemeldet wird.

Strafrechtlich können sich Skifahrer bei einer Fahrerflucht erheblichen Konsequenzen aussetzen. Laut KFV ist das Zurücklassen eines verletzten Unfallopfers eine Straftat, die zu empfindlichen Strafen führen kann.

Dr. Topay berichtet aus seiner Erfahrung aus seiner Ordination in Kitzbühel, dass er als Gutachter oft in gerichtlichen Verfahren involviert ist, bei denen ordnungsgemäß gemeldete Skiunfälle untersucht werden. In diesen Fällen erfolgt die gutachterliche Feststellung der Schwere der Körperverletzung ähnlich wie bei Verkehrsunfällen.

Praktische Tipps zur Unfallvermeidung

Um das Risiko für Verletzungen zu minimieren, empfehlen die Experten eine gute Vorbereitung:

  • Kondition aufbauen: Sechs Wochen vor dem Skiurlaub sollte regelmäßige Bewegung in Form von Ausdauertraining und Skigymnastik erfolgen.
  • Vor dem Skifahren aufwärmen: Kniebeugen und Dehnungsübungen helfen, Verletzungen zu vermeiden.
  • Angemessene Pistenwahl: Skifahrer sollten sich realistisch einschätzen und Pisten wählen, die ihrem Können entsprechen.
  • Alkoholkonsum vermeiden: Alkohol besser auf den Feierabend verschieben, um Unfälle zu vermeiden.
  • Pistenregeln beachten: Die FIS-Regeln helfen, Unfälle zu vermeiden und die Haftungsfrage im Ernstfall zu klären.
Dr. Sandor Topay, Kniespezialist und Gelenksfacharzt in Kitzbühel.
Dr. Sandor Topay, Kniespezialist und Gelenksfacharzt in Kitzbühel. | © privat

Sicherheit beginnt mit Eigenverantwortung

Unfälle auf der Skipiste sind keine Seltenheit, doch durch gezielte Vorsorge und ein bewusstes Verhalten können viele Risiken minimiert werden. Experten wie Dr. Topay und Dr. Kaltenegger sind sich einig: Wer sich gut vorbereitet, seine Grenzen kennt und Rücksicht nimmt, hat die besten Chancen, einen sicheren und unfallfreien Skiurlaub zu genießen.

(red)

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