Rotes Mascherl entzweit Wiener und Touristen

Die XXL-Schleife am Eingang zur Kärntner Straße erzeugt Aufmerksamkeit – aber wen nützt sie eigentlich?

12.12.2025 12:38
Redaktion
© Adobe
XXL-Masche an der Fassade des Modehauses Popp & Kretschmer

Die rote Weihnachtsschleife an der Kärntner Straße gehört seit Jahren zum vorweihnachtlichen Stadtbild Wiens. Was einst als festliche Fassadendekoration gedacht war, ist längst zu einem der meistfotografierten Motive der Innenstadt geworden. Heuer allerdings kippte die Situation: Der Andrang rund um den Fußgängerübergang nahe der Staatsoper war so groß, dass die Polizei einschreiten musste.

Selfies bei Rotlicht, blockierte Übergänge, hupende Autos – Bilder, die rasch in sozialen Medien und Boulevardberichten kursierten. Die Schleife wurde damit nicht nur Fotohintergrund, sondern Auslöser einer Debatte über Sicherheit, urbanes Verhalten und den Umgang mit touristischer Aufmerksamkeit.

Sichtbarkeit ohne klaren Absender

Auffällig ist dabei: Obwohl die XXL-Masche an der Fassade des Modehauses Popp & Kretschmer angebracht ist, tritt das Unternehmen selbst in der öffentlichen Wahrnehmung kaum in Erscheinung. Auf den meisten Bildern tritt der Markenbezug nicht nervor. Das Motiv funktioniert vor allem als allgemeines Weihnachtssymbol – nicht zwingend als Einladung ins Geschäft. Ob die Aufmerksamkeit der Schleife tatsächlich dem Modehaus zugutekommt oder vielmehr der gesamten Einkaufsstraße, lässt sich schwer beurteilen.

Aufmerksamkeit als zweischneidiges Schwert

Hinzu kommt die Reaktion der lokalen Medien, die ausrücken, um Menschen zu interviewen, die schnell bereit sind, wenig schmeichelhaftes über das Verhalten der “Touris” in die Kamera zu sagen. Während die Besucher und Besucherinnen den Ort als einladenden Abschnitt ihres Wien-Besuchs begreifen, reagieren manche Wiener mit Spott oder Unverständnis. In sozialen Netzwerken überwiegt weniger Bewunderung als Kopfschütteln.

Aufmerksamkeit, die in Irritation oder Ablehnung umschlägt, ist aus kommunikativer Sicht heikel. Auch praktisch stellt sich die Frage, ob der Selfie-Andrang dem stationären Handel speziell nützt. Wenn Menschentrauben den Zugang versperren und der Fokus ausschließlich auf dem Außenmotiv liegt, bleibt der Innenraum womöglich weniger beachtet. Was jedoch im Fall des Modehauses mit der XXL-Schleife wohl in die Kategorie Luxusproblem fiele.

Ein urbanes Phänomen

Das rote Mascherl steht exemplarisch für ein Phänomen, das viele Städte kennen: Ein Motiv wird viral, der Ort überlagert seinen ursprünglichen Zweck. Ob daraus ein messbarer wirtschaftlicher Nutzen entsteht, ist keineswegs selbstverständlich. Sichtbarkeit ist kein Garant für Umsatz, Reichweite kein Ersatz für Relevanz.

Somit liegt die eigentliche Wirkung der Schleife weniger im klassischen Werbewert für den ansässigen Handel als in ihrer Rolle als Teil der vorweihnachtlichen Stadtkulisse und des Wien-Marketings. Als Zeichen dafür, wie sehr öffentliche Räume heute auch digitale Bühnen sind. Wer auf Besuch kommt und seine Erinnerungen an Wien mit der Welt teilen möchte, sollte Freude daran haben.

(red)

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