Ryanair zwingt Passagiere auf den digitalen Weg

Wird wirklich nur der coole QR-Code gescannt? Verbraucherschützer sehen erste Ansatzpunkte für Klagen.

12.11.2025 16:07
Redaktion
© Adobe Stock
Ryanair Maschine am Rollfeld

Der Billigflieger Ryanair hat die ausgedruckte Bordkarte abgeschafft. Passagiere müssen ab dem heutigen Mittwoch ihre Tickets in elektronischer Form bereithalten, wenn sie ins Flugzeug einsteigen wollen, verlangt Europas größte Direktfluggesellschaft. Ihr Chef Michael O’Leary erwartet bei der Umstellung kleinere Startprobleme, während Verbraucherschützer unterdessen erste Ansatzpunkte für Klagen sehen.

Schon bei den ersten Ankündigungen der irischen Airline zur neuen Gangart kam es in Großbritannien zu Kritik und Protesten. Damit würden technisch nicht so begabte Menschen oder Internet-Verweigerer vom Fliegen ausgeschlossen.

Doch es kommt noch dicker: Durch die Verwendung eines Smartphones beim Boarding werden vermutlich auch jede Menge Geräteinfos am Schalter abgesaugt – nicht nur der coole QR-Code eingescannt. Das dürfte dann auch die technikversierte Gen Z in Aufruhr versetzen, für die der Besitz eines Smartphones Ausdruck von Freiheit und Modernität ist. Ganz im Gegensatz zu den “Boomern”, die ja bloss meckern, weil sie auf ihr Stückchen Papier (Achtung, hierfür müssen Bäume sterben!) nicht verzichten wollen.

Verbraucherschutz verlangt Alternative

Der deutsche Verbraucherzentrale Bundesverband fordert für alle Reisenden einen alternativen Weg, um jede Form der Mobilität nutzen zu können. “Mobilität darf nicht an das technische Geschick oder die technischen beziehungsweise tatsächlichen Möglichkeiten von Reisenden geknüpft werden. Es darf nicht zum Ausschluss von einzelnen Gruppen kommen”, warnt Fluggastrechte-Referent André Duderstaedt. Sollten Menschen mit spezielle Bedürfnissen betroffen sein, könnten diese mit juristisch guten Chancen auf das Gleichbehandlungsgesetz pochen.

Start in den ruhigen Herbst verschoben

Das Billigflug-Unternehmen versucht, mögliche Bedenken zu zerstreuen und hat den ursprünglich für Mai geplanten Start in den November verschoben. Statt knapp 20 Millionen Passagieren (Mai 2025) dürften im November nur gut 13 Millionen Menschen mit der Low-Cost-Airline unterwegs sein.

Stolz aufs Handy-herzeigen beim Boarding

Die Umstellung sei reibungslos verlaufen, berichtete das Unternehmen am ersten Geltungstag auf Anfrage in Dublin. Das sei aber auch nicht überraschend, weil schon vor dem Wechsel der Anteil der Nutzer der elektronischen Bordkarte von 80 auf rund 90 Prozent gestiegen sei, erklärte ein Sprecher.

Ryanair will nach eigener Ankündigung die weltweit erste papierlose Airline werden. Mit den elektronischen Bordkarten könnten mehr als 300 Tonnen Abfall pro Jahr vermieden werden, heißt es in einer Mitteilung. Konkurrenten wie Easyjet, British Airways oder auch Lufthansa und Condor lassen den Kunden hingegen bisher die Wahl zwischen digitaler und analoger Bordkarte.

An der App führt kaum ein Weg vorbei

Eine zentrale Rolle in der Digital-Strategie spielt eine eigene Smartphone-App. Sie soll für die Kunden künftig der einzige Weg sein, um im elektronischen Check-in-Prozess eine Bordkarte zu erstellen. Ohne die Datei auf dem Smartphone gelangt man nicht einmal in den Sicherheitsbereich eines Flughafens, geschweige denn an Bord eines Flugzeuges.

Hauptsache eingecheckt

Die App ist aber auch im neuen System nicht für alle Reisenden zwingend erforderlich. So kann ein Hauptbucher die elektronischen Bordkarten für eine Gruppe vorzeigen oder sie einzeln an die Smartphones seiner Mitreisenden weiterleiten.

Passagiere ohne Smartphone sollten sich von Freunden oder Verwandten beim Check-in helfen lassen, rät ein Sprecher des Unternehmens zusätzlich.

Letzter Ausweg am Schalter

Wer alle Warnungen und die wiederholten Erinnerungen zum Online-Check-in ignoriert – und dennoch nicht anders kann, als mit Ryan zu fliegen, findet möglicherweise am Flughafen einen letzten und teuren Ausweg, um doch noch eine (ausgedruckte) Bordkarte zu erhalten und damit an Bord zu kommen: “In diesem Fall müssen Sie die Check-in-Gebühr am Flughafen bezahlen”, vermerkt die Ryanair-Website. Das sind je nach Abflugland 30 (Spanien), 40 (Österreich) oder 55 Euro/Pfund (übrige EU/Großbritannien) pro Passagier und Strecke. Die bisher erhobene Gebühr von 20 Euro für den Neuausdruck einer bereits erstellten Bordkarte ist im Preis inbegriffen.

(APA/red)

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