Von Mekka bis Mariazell

Pilgerströme können Milliarden in die Tourismus-Kassen spülen. Doch nicht alle religiösen Orte nutzen die Möglichkeiten bis zur Neige aus. Durchaus bewusst.

07.04.2025 11:24
red04
© Adobe Stock
Das größte religiöse Ereignis der Welt: Wenn zur Hadsch aufgerufen wird, klingen in Mekka die Kassen.

Wo einst Wanderer mit Stab und Sandalen aufbrachen, laufen heute Millionen-Geschäfte: Pilgerreisen sind längst nicht mehr nur spirituelle Rituale, sondern ein boomender Wirtschaftszweig. Wo Glaube und Bewegung zusammentreffen, wittern Tourismusunternehmen ihre Chance. Fluggesellschaften füllen Sondermaschinen, Hotels bieten maßgeschneiderte Pakete und selbst die Souvenirindustrie floriert. Während einige Orte auf Minimalismus setzen, perfektionieren andere das Erlebnis für Premium-Kunden. Die Grenze zwischen Andacht und Angebot verschwimmt – und mit ihr die Frage: Ist Pilgern noch eine Reise zur Seele oder längst ein Luxusgut?

Mekka schlägt Vatikan

Die ökonomische Bedeutung des Hadsch in Mekka sticht im globalen Vergleich deutlich hervor, denn allein im Jahr 2023 versammelten sich laut Statista nahezu 1,84 Mio. Pilger in Mekka – ein Maßstab, der diesen religiösen Akt zu einer der weltweit größten Menschenansammlungen macht. Die daraus generierten Einnahmen sind enorm: Bereits 2014 rechnete man laut Al-Arabiya News mit bis zu 8,5 Mrd. US‑Dollar; Prognosen im Moodie Davitt Report gehen davon aus, dass die Hadsch-Einnahmen bis 2032 über 350 Mrd. US‑Dollar erreichen könnten. Im Vergleich dazu zieht der Jakobsweg in Spanien jährlich schätzungsweise über 300.000 Pilger an – ein beeindruckendes Besucheraufkommen, das jedoch wirtschaftlich nicht annähernd den Milliardenumsätzen in Mekka gerecht wird. Einem Bericht von Vatikan News zufolge sieht Papst Franziskus selbst diese Zahlen schon als überkommerzialisiert. Während zudem der Vatikan jährlich Millionen Besucher empfängt, steht hier eher der kulturelle und spirituelle Wert im Vordergrund – wirtschaftlich kann der Vatikan nicht mit der gewaltigen Monetarisierung des Hadsch konkurrieren. Der päpstliche Stadtstaat kommt mit Museumseintritten, Souvenirs und Sammlermünzen – die Haupteinnahmen des Vatikans laut CIA Factbook – zwar gut über die Runden, ein Großteil ihres Geldes lassen Besucher allerdings unausweichlich im umliegenden Rom.

Alpenmekka Mariazell?

Auch wenn Mekka oder die Kumbh Mela wirtschaftlich in einer eigenen Liga spielen, zeigt sich selbst in Österreich, dass Pilgerreisen längst nicht mehr nur spirituelle Unternehmungen sind. Orte wie Mariazell, der Jakobsweg durch Österreich oder Wallfahrten zur Basilika Rankweil bezeugen, wie Glaube und Tourismus seit jeher in einer Symbiose stehen. Doch während internationale Pilgerstätten sich rasant modernisieren und gigantische Umsätze generieren, bleibt Österreichs religiöser Tourismus in weiten Teilen bodenständig – eine bewusste Entscheidung oder eine verpasste Chance? Über eine Million Pilger zieht Österreich laut ORF an. Mariazell, eine der wichtigsten Wallfahrtsstätten Österreichs, trägt einen großen Teil dazu bei. Die Basilika mit ihrer beeindruckenden barocken Architektur und der Gnadenstatue der „Magna Mater Austriae“ ist ein Zentrum katholischer Frömmigkeit – doch auch hier spielt die Wirtschaft eine zentrale Rolle. Hotels, Gasthöfe und Souvenirshops leben von den Pilgerströmen. Besonders in den Sommermonaten sind Unterkünfte oft restlos ausgebucht und die lokale Gastronomie profitiert enorm. Trotzdem bleibt Mariazell im Vergleich zu Mekka ein bescheidener Ort. Während in Saudi-Arabien Milliarden in Megahotels und digitale Steuerungssysteme investiert werden, setzt Mariazell auf behutsame Modernisierung. Das Marienheim der Grazer Schulschwestern kombiniert Pilgerherberge mit spirituellen Angeboten, und Hotels bieten zunehmend Pakete mit Wellness und Wanderrouten an. Doch im Gegensatz zu Mekka fehlt der exklusive Luxusfaktor: Kein 5-Sterne-Resort mit Hubschrauberlandeplatz, keine VIP-Pakete für „Premium-Pilger“. Weder Touristen noch Pilger sollen hier mit Superlativen geködert werden.

Max Wetzelsdorfer

Den ganzen Beitrag finden Sie in der FaktuM E-Paper-Ausgabe 1/25.

FaktuM 1/2025 – Time to Say Farewell
FaktuM 1/2025 – Time to Say Farewell
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Beitrag teilen

Das könnte Sie auch interessieren

Weitere Themen