Wunderbare Jahre? Von wegen!

Drei Jahrzehnte eine Branchenzeitschrift herauszugeben – da erlebst du deine Wunder.
© privat

Vor bald fünf Jahrzehnten ergab sich mein Einstieg ins Verlagsgeschäft  – typisch österreichisch – in einem Wiener Kaffeehaus. Dr. Adolf Löwy, mein mittlerweile verwichener Gründungspartner, hatte irgendwie Wind davon bekommen, dass ich über ein seltenes Talent verfüge. Das mir selber völlig unerklärlich war: ich war ein guter Verhandler. Hatte – von meinem wortgewandten Großvater – die Attitüde gelernt, Menschen mit bagdadanischen Geschichten zu beglücken. Und die machten (warum, war mir nicht ganz klar) in neun von zehn Fällen schlussendlich das, was ich vorschlug. 

Löwenstein, wie Löwy mit Spitznamen hieß, machte mir also den Vorschlag, ins Zeitschriftengeschäft einzusteigen. Es gäbe da eine Reisezeitschrift zu kaufen. Günstig. „Die krachen“, meinte Löwy. Er sollte Recht behalten. Die sind längst pleite.

„Aber ich habe kein Ahnung von Tourismus“, warf ich ein. Löwy grinste. „Du brauchst nur zwei Sachen zu wissen“, so meinte er: „Incoming, das ist der Tourismus, der nach Österreich hereinkommt. Outgoing ist das, was rausgeht. Wenn du mit diesen beiden Begriffen möglichst oft um dich wirfst, dann werden sie dich für einen Experten halten. Automatisch.“

Die Rechnung ist aufgegangen. Nach kürzester Zeit öffneten sich selbst bei Nikolaus Lauda, der damals seine erste Fluglinie gründete, die Türen. Die Austrian Airlines-Vorstandsdirektoren luden uns exklusiv ein, als Bruno Kreisky (ich erinnere mich noch an den wütenden Heschgl und seine Worte: „Herr Mucha, ich habe noch nie einen Journalisten zu mir gebeten, aber Sie sind ein scharfer Hund, kommen Sie, das lassen wir uns nicht gefallen“) vom Austrian-Vorstand vehement die Übergabe des Binnenflugs an Niki Nationale forderte.

Das waren die ersten Jahre mit FM, unserer Schwesterzeitschrift von FaktuM. Dort deckten wir Gastronomie und Hotellerie ab. Logisch, dass wir fast zwei Jahrzehnte später mit FaktuM das Outgoing angingen. Damals, zur Gründungszeit von FaktuM, kämpften die Tour-Operator und Reiseagenten, auf Teufel komm heraus mit den Veranstaltern. Und gegeneinander. Ein Reisebüro konnte damals 12, maximal 15 Prozent an Kommission einheimsen. Kam also ein Kunde bei der Tür herein und luchste denen fünf Prozent Nachlass ab, dann war ein Drittel von deren Marge weg. Schwuppdiwupp. 

Also machten wir uns stark für die Reisebüros. Machten ihnen klar, dass man nicht ein Dritt-Teil des Gewinnes beim Fenster hinausschmeißen darf. Dass man Preistreue beweisen soll. Wir machten Testbuchungen und watschten jene ab, die die Hosen bis zu den Knöcheln herunterließen. 

Die Schlimmste von allen war damals die RUEFA. Heute im Eigentum des Österreichischen Verkehrsbüros. Die waren die Rabatt-Kaiser und machten alles über Preis-Dumping. Damals Teil der BAWAG, die von einem gewissen Herrn Elsner – auch schon tot und nach dem Konsum-Desaster im Knast gelandet – geführt wurde. Der setzte mich auf die rote Liste. Wenn ich ein Reisebüro betrat, das auf den Namen RUEFA hörte, warf man mit Flugzeugmodellen nach mir. 

Ulrich Bentz, der schon seit knapp zwei Jahrzehnten unsere Geschicke in der Chefredaktion leitet, hat unsere Jubiläums-Titelgeschichte verfasst. Ich könnte den Rückblick nicht besser schreiben. Nur eines hat mich gewundert: Seine schönfärberische Headline „Wunderbare Jahre“. Naja, das einzige, was daran stimmt, ist, dass man sich nur wundern konnte, was da alles passiert ist. 

Nach der Pandemie ist die Branche nachhaltig ausgedünnt. Gab es früher noch 14 Fachzeitschriften (geschätzt) in diesem Markt, vegetieren heute noch gerade ein paar Mitbewerber herum. Und wir haben – Kraft der Stärke unseres Verlagshauses – vom Werbekuchen rund 80 Prozent. Wir nähern uns Monopoly. Und – es sieht so aus (bitte schauen Sie sich dieses Heft in aller Ruhe an und auch, wieviel Werbung da drinnen ist) als hätte couragierter, ehrlicher Fachjournalismus auch weiterhin seine Zukunft. Mal sehen, wie lange noch. 

Danke für Ihr jahrzehntelanges Vertrauen. Und Ihren Glauben daran, dass es wichtig ist, jemanden wie mich, der keine Angst davor hat, die Wahrheit zu schreiben, mit seinem Medium FaktuM zu unterstützen,

sagt Ihr

Christian W. Mucha

Herausgeber

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