Zank um Fahrgastsicherheit bei Bahnreisen
Die ÖBB wollen das Einsatzleiter-System reformieren – die Gewerkschaft sträubt vehement dagegen. Warum wohl?
 
Die Diskussion um das Sicherheitssystem der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) eskaliert. Die Gewerkschaft vida warnt vor einer drohenden Gefährdung von Fahrgästen und Beschäftigten, weil künftig an mehreren Standorten in der Nacht keine Einsatzleiter mehr Dienst versehen sollen. Laut ÖBB handle es sich jedoch nicht um Einsparungen, sondern um eine überfällige Neustrukturierung.
Neue Struktur bereitet Sorge
Konkret wollen die ÖBB ihr Notfallmanagement modernisieren. Einsatzleiterinnen und Einsatzleiter sollen künftig hauptberuflich tätig sein, ihre Verteilung soll sich am tatsächlichen Verkehrsaufkommen orientieren. In Regionen, in denen nachts keine Züge verkehren – etwa in Lienz oder Saalfelden –, soll ab 2027 auf eine durchgehende Nachtschicht verzichtet werden.
Die Bahn verweist auf moderne Technik, klar definierte Nachbarstandorte und kurze Anfahrtswege, die im Notfall für rasche Reaktion sorgen sollen. Von „Sicherheitslücken“ könne keine Rede sein, im Gegenteil: Das Sicherheitsniveau steige durch Digitalisierung und den Einsatz von Drohnen weiter.
Gewerkschaft im Einsatz
Ganz anders sieht das die Gewerkschaft vida. Sie spricht von einer „sicherheitstechnischen Fehlentscheidung“ und befürchtet, dass in der Nacht keine qualifizierte Entscheidungskraft mehr vor Ort sei. Die Einsatzleiter seien, so vida-Bahnchef Gerhard Tauchner, „tragende Säulen der Sicherheit im Bahnverkehr“. Unterstützt wird die Gewerkschaft dabei von SPÖ-Bundesrat und Lokführer Daniel Schmid, der vor einer „Ausdünnung der Belegschaft“ warnt.
Worum geht es wirklich?
Zwischen den Zeilen geht es freilich nicht nur um die Sicherheit der Fahrgäste. Die gut dotierten Nachtdienste mit entsprechenden Zulagen zählen zu den begehrteren Posten im Bahnkonzern. Über ihre Vergabe wacht traditionell auch der Betriebsrat, dessen Einfluss durch die Modernisierung schwinden könnte.
Das Kernargument der Bahnmanager: Die ÖBB haben „festgestellt, dass die Standorte unterschiedlich beansprucht werden. Beispielsweise ist bei einer Regionalbahn, wo in der Nacht kein Zug fährt, das Risiko eines Einsatzes sehr gering.“
An vielen kleineren Standorten dürfte die Zahl realer Einsätze verschwindend gering sein – wer dort Nachtdienst hat, verbringt ihn oft in Bereitschaft. Entsprechend nachvollziehbar erscheint aus Sicht des Managements, den Personaleinsatz an den tatsächlichen Bedarf anzupassen.
Damit erhält die Auseinandersetzung eine zweite Ebene: Für die Gewerkschaft steht mehr auf dem Spiel als nur das Sicherheitsargument – auch gewachsene Strukturen und gut verhandelte Zulagenmodelle geraten unter Druck. Wer in einem so traditionsreichen System wie der Bahn eine Reform anstößt, rüttelt zwangsläufig an internen Gleichgewichten.
Für die möglicherweise betroffenen ÖBBler zählt am Ende auch, wer sich Einsatzleiter nennen darf – und nicht zuletzt, wie sich das aufs Gehalt und die Pension auswirkt.
Treue zur Gewerkschaft – und vieles mehr – steht hier auf dem Spiel.
(APA/red)
 
 
 
 
 
